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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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wieder sein Colaglas, meidet es zuerst noch, sie anzusehen, streift schließlich doch ihr Gesicht mit einem flüchtigen Blick, ein Lächeln huscht über seine Lippen.
    Â»Also«, versucht sie, den Faden wieder aufzunehmen. »Ich hab’s nicht so gemeint, sorry noch mal. Klar wollte Max am liebsten was mit Kunst machen, nach dem Abi. Irgendwas in dem Bereich studieren. Er hat sich sogar heimlich an einer Fachoberschule für Gestaltung beworben – ich weiß nicht, wie sie hieß. Aber es hat nicht geklappt.«
    Â»Vielleicht hat ihm das den Boden unter den Füßen weggezogen. Wenn jemand sensibel ist und nicht angenommen wird …«
    Natalie zuckt zusammen, sie fühlt das Blut aus ihrem Gesicht weichen. »Max wurde angenommen«, korrigiert sie. »Es kam eben was dazwischen, das soll vorkommen, oder?« Sie streckt ihre Hand aus, um nach einer zweiten Scheibe Bruschetta zu langen, zieht sie jedoch wieder zurück. »Ich kann nicht mehr«, stößt sie hervor und legt die Hand auf ihren Bauch, als hätte sie eine halbe Gans mit Klößen und Rotkohl verdrückt. »Können wir gehen?«
    Jonathan nickt, winkt den Kellner heran und legt seine Geldbörse auf den Tisch.
    Â»Ich bringe dich nach Hause«, verspricht er.
    5.
    Als Natalie die Wohnungstür aufsperrt, hört sie die Stimmen ihrer Eltern aus dem Wohnzimmer, dann die Schritte ihrer Mutter, die durch den Korridor auf sie zueilt.
    Â»Gott sei Dank, da bist du«, seufzt sie und nimmt Natalie in den Arm. »Ich weiß, ich sollte nicht so überbesorgt sein, aber seit Max … es ist so still in der Wohnung, wenn du nicht da bist.«
    Â»Ich bin da.« Natalie hängt ihre Lederjacke an den Haken und zieht ihre Schuhe aus; es kommt ihr vor, als wäre sie ewig weg gewesen. Still in der Wohnung, das ist es wirklich, denkt sie; dabei war es mit Max keineswegs lauter, es sei denn, er drehte seine Stereoanlage voll auf, aber das kam selten vor. Als sie ins Wohnzimmer tritt, fällt ihr Blick auf den Flügel. Die Tastatur ist abgedeckt, kein Notenheft steht auf der Halterung, Max müht sich hier nicht mehr ab, das Stück für die nächste Klavierstunde durchzuackern, immer nervös, weil er mitten im Geschehen sitzt und der Vater jeden Anschlag registriert, jeden falschen Ton, jedes verkehrt bediente Pedal. Sein Klavierspiel hat mehr zu den Abenden gehört als Natalies Üben mit dem Saxofon, das immer nur höchstens eine Stunde lang geduldet war; wenn sie versehentlich länger geübt hatte, schlug die Nachbarin unter ihnen mit einem metallenen Gegenstand gegen die Heizung. Jetzt ist alles still, die Mutter steht noch ein wenig unschlüssig im Flur, der Vater sitzt auf dem Sofa, müde und grau im Gesicht, Natalie hat ihn noch nicht oft mit Bartstoppeln gesehen, doch seit Max’ Tod lässt er sie mitunter sprießen, zumindest am Wochenende. Er nickt ihr zu, dann blättert er weiter in der Fernsehzeitschrift, überfliegt einen der belanglosen Artikel darin, nimmt einen Kugelschreiber vom Couchtisch und beginnt ein Kreuzworträtsel; beim ersten Begriff, den er nicht weiß, legt er beides wieder weg. Natalie strebt auf ihn zu und beugt sich herab, um ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen, dann murmelt sie etwas von Müdigkeit und Kopfschmerzen. Als sie erneut an ihrer Mutter vorbeigeht, sieht diese sie fragend an.
    Â»Morgen holt er mich wieder ab«, berichtet Natalie. »Ich mag ihn. Versuch also nicht, es mir auszureden.«
    Auf dem Weg in ihr Zimmer muss sie an dem von Max vorbei. Die Tür ist angelehnt, es brennt kein Licht, Natalie blickt schnell in die andere Richtung. Er müsste da sein, der Schein seiner Schreibtischlampe müsste in den dunklen Flur fallen, und sie würde ihren Kopf durch seine Tür stecken, um zu schauen, was er macht. Max würde auf seinem Bett sitzen, den Zeichenblock auf den Knien, oder am Schreibtisch gebannt auf irgendetwas am Bildschirm starren, vielleicht für die Schule lernen, nein, doch nicht, das hat er meist im Wohnzimmer getan, weiß der Kuckuck, warum. Sie selbst wäre nie auf die Idee gekommen.
    Natalie geht ins Bad, wäscht ihr Gesicht, putzt sich die Zähne. Lächelt bei dem Gedanken an Jonathan und sie mit den Füßen im Springbrunnen, doch im nächsten Augenblick steigt wieder diese Angst in ihr auf, die Angst, die sie seit … seit jenem Abend jede Nacht zu Bett bringt,

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