Dann muss es Liebe sein
Tatsachen stellt. Das ist jetzt nicht der richtige Moment dafür.
»Ich muss wieder los«, sagt Alex und tritt einen Schritt zurück.
»Danke für deine Hilfe«, erwidert Emma und kommt an den Tisch, um Alex’ Platz an Sallys Seite einzunehmen.
»Mach’s gut, Emma. Maz, wenn ich es schaffe, schaue ich nachher noch mal vorbei.«
Ich lehne mich gegen den flüchtigen Druck von Alex’ Hand an meinem Rücken und lege den Kopf in den Nacken, damit er mich küssen kann.
»Ich hoffe, der Hund kommt durch.« Und schon ist er weg, die Türen schwingen hinter ihm zu, und für den Bruchteil einer Sekunde fühle ich mich einsam und verlassen.
»Blödmann«, sagt Emma.
Sie legt Sally eine Infusion und leitet die Narkose ein, anschließend hält sie Sallys Kopf, während ich versuche, die Magensonde durch ihre Speiseröhre zu schieben, aber ich komme nicht durch. Ich wackle und rüttle ein wenig damit herum und drehe den Hund auf die andere Seite, doch der Tubus bewegt sich keinen Millimeter weiter. Das ist kein gutes Zeichen.
»Der Magen ist gedreht.« Ich streichle das Ohr des schlafenden Hundes und denke an Penny, die zu Hause sitzt und auf meinen Anruf wartet.
»Dann haben wir keine andere Wahl«, entgegnet Emma. »Du musst operieren.«
Wir bringen Sally in den OP -Raum, und bald darauf ist sie in Rückenlage fixiert und ihr Körper fast vollständig mit Baumwolltüchern abgedeckt. Ich nehme ein Skalpell und öffne die Bauchhöhle.
»Sie ist okay«, versichert mir Emma, als könnte sie meine Gedanken lesen, »zumindest stabil.«
Die OP -Haube juckt über meinem Haaransatz, und ich widerstehe dem Drang, mich zu kratzen. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, vorsichtig Sallys Magen zurückzudrehen. Ich entdecke keine Anzeichen für eine Verletzung der Magenwand und wage zu hoffen, dass Sally noch einmal Glück gehabt hat. Jedenfalls so lange, bis Emma meine Hoffnungen mit einem Schlag wieder zunichtemacht.
»Maz, wir haben ein Problem.« Sie richtet sich auf, und Sallys Narkoseprotokoll fällt klappernd zu Boden. »Ihr Puls schmiert ab.« Emmas Stimme klingt kühl und professionell, ich höre allerdings einen Hauch von Panik, als sie weiterspricht. »Sie atmet nicht mehr.«
Ich lasse Sallys Magen in ihre Bauchhöhle zurückgleiten und halte einen Moment inne.
»Ich fühle den Puls nicht mehr.« Emma flucht. »Sie wird blau.«
Sie stellt das Narkosemittel ab, dreht die Sauerstoffzufuhr auf und beginnt mit der Reanimation, wobei sie abwechselnd Sallys Brustkorb zusammendrückt und ihre Lungen mit Hilfe des schwarzen Gummibeutels am Narkosegerät beatmet.
Der Geruch von Fett, Blut und Desinfektionsmittel steigt mir in die Nase, und meine Hände werden in den OP -Handschuhen ganz heiß. Der Herzschlag dröhnt in meinen Ohren, während ich die Blutgefäße in dem von glänzendem weißem Fett durchzogen Gewebestrang über Sallys Darm anstarre und bete, dass sie wieder zu pulsieren beginnen.
Los, Sally. Ich denke an Pennys Tränen, als ich weggefahren bin, daran, wie sie Sallys weiches Fell zerzaust und die Arme um ihr tropfendes Maul geschlungen hat, um sie noch ein letztes, verzweifeltes Mal an sich zu drücken, als würde sie sie nie wiedersehen …
»Wie lange atmet sie schon nicht mehr?«, fragt Emma. »Ich habe nicht auf die Uhr geschaut.«
Ich kann nur schätzen – es kommt mir vor wie eine Ewigkeit.
»Zwei, drei Minuten.«
»Dann geben wir ihr noch drei …« Emmas Stimme verklingt, schließlich weiß sie genauso gut wie ich, dass fünf Minuten das Maximum sind. Nach fünf Minuten ohne Sauerstoff fangen die empfindlichen Hirnzellen an abzusterben.
Ich bereite mich darauf vor, Sallys Brustkorb zu öffnen. Das ist der letzte Ausweg. So können wir das Herz direkt massieren und Medikamente sofort in den Muskel spritzen. Hand aufs Herz – das ist jetzt nicht wörtlich gemeint –, ich glaube nicht, dass Sally es schafft.
»Maz! Nicht!«
Das Herz sackt mir hinunter in die Crocs. Zu spät. Sie ist tot.
»Ich habe einen Puls. Aber er ist sehr schwach.« Emma deutet auf Sallys Brustkorb, der sich hebt, erschauert und sich wieder senkt.
Ich kann die Erleichterung in ihrem Lächeln sehen, als sie fortfährt: »Was hast du nun vor? Willst du sie gleich zunähen oder weitermachen?«
Es ist ein verlockender Gedanke, sie zuzunähen und ihr die Gelegenheit zu geben, sich zu erholen.
»Ich mache weiter«, beschließe ich. Wir sind schon so weit gekommen. Wenn ich jetzt aufhöre, kann so etwas jederzeit
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