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Danse Macabre

Danse Macabre

Titel: Danse Macabre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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manchmal Telepathie meint, manchmal Präkognition, manchmal Gott weiß
was; wir haben tatsächlich einen sechsten Sinn, aber das ist
nur (schönes nur!) die Schärfe unseres Denkvermögens. Fido
mag hundert Gerüchen folgen können, die wir nicht einmal
bemerken, aber der kleine Kerl wird niemals gut beim Damespielen oder auch nur bei Mühle sein. Dieses Denkvermögen
hat es für uns unnötig gemacht, schärfere Sinne im genetischen Reservoir auszubrüten; tatsächlich hat ein Großteil der
Bevölkerung Sinneswahrnehmungen, die selbst nach
menschlichen Maßstäben unterentwickelt sind - daher Brillen und Hörgeräte. Aber wir kommen zurecht, weil wir unsere Boeing-747-Gehirne haben.
    Das alles ist schön und gut, wenn Sie einen Vertrag in einem
hell erleuchteten Büro abschließen oder an einem sonnigen
Nachmittag im Wohnzimmer Wäsche bügeln; aber wenn bei
einem Gewitter das Licht ausfällt und wir uns von einer Stelle
zur nächsten tasten müssen, während wir uns zu erinnern versuchen, wo wir die verdammten Kerzen deponiert haben,
dann sieht die Situation wieder anders aus. Nicht einmal eine
747 mit hochentwickeltem Radar an Bord und allem Drum
und Dran kann bei dichtem Nebel landen. Wenn das Licht
ausgeht und wir uns in der Dunkelheit wiederfinden, dann
hat die Realität die unangenehme Neigung, selbst neblig zu
werden.
    Wenn wir von einer Möglichkeit sensorischer Eingabe abgeschnitten sind, dann schaltet dieser Sinn einfach ab (natürlich niemals zu hundert Prozent; selbst in stockdunklen Zimmern sehen wir ein Muster vor unseren Augen, und selbst im
totalsten Schweigen werden wir ein leises Summen hören …,
solche »Phantom-Eingaben« bedeuten nur, daß die Kreise
offen sind und in Bereitschaft stehen). Das gilt nicht für unser
Gehirn - glücklicher- oder unglücklicherweise, je nach Situation. Glücklicherweise, wenn Sie in einer langwierigen Situation festsitzen; dann können Sie Ihren sechsten Sinn dazu verwenden, die Arbeit des nächsten Tages zu planen, sich zu
überlegen, wie das Leben sein würde, wenn Sie den großen
Preis in der Staatslotterie oder die Reader’s Digest Sweepstakes gewinnen würden, oder Sie können Spekulationen darüber anstellen, was die sexy Miß Hepplewaite unter ihrem
engen Kleid anhat - oder auch nicht anhat. Andererseits
kann das ständige Funktionieren des Gehirns auch ein Fluch
sein. Fragen Sie jemanden, der an Schlaflosigkeit leidet.
    Ich bitte Leute, die behaupten, daß ihnen Horror-Filme
keine Angst machen, folgendes kleine Experiment durchzuführen. Sehen Sie sich einen Film wie Night of the Living
Dead einmal ganz alleine an (ist Ihnen schon einmal aufgefallen, daß viele Menschen nicht in Paaren oder Gruppen in
Horror-Filme gehen, sondern in ganzen Banden?). Steigen
Sie hinterher in Ihr Auto und fahren Sie zu einem einsamen
und halb verfallenen Haus - jede Stadt hat mindestens eines
(abgesehen von Stepford, Connecticut, aber die haben dort
ganz andere Probleme). Gehen Sie hinein. Gehen Sie auf den
Dachboden. Setzen Sie sich dort. Hören Sie, wie das Haus
um Sie herum knirscht und ächzt. Achten Sie darauf, wie sehr
sich dieses Ächzen anhört, als würde jemand - oder etwas die Treppe hochkommen. Riechen Sie den Staub. Den Verfall. Die Fäulnis. Denken Sie an den Film, den Sie gesehen
haben. Denken Sie daran, während Sie dort im Dunkeln sitzen und nicht sehen können, was sich an Sie heranschleichen
könnte …, was gerade dabei sein könnte, Ihnen seine
schmutzige, gekrümmte Kralle auf die Schulter zu legen …
oder um Ihren Hals … Das könnte eben durch die Dunkelheit ein sehr erhellendes Erlebnis für Sie werden.
    Angst vor der Dunkelheit ist die kindlichste Furcht. Geschichten des Schreckens werden für gewöhnlich »am Lagerfeuer« erzählt, wenigstens aber nach Sonnenuntergang, denn
was bei Sonnenschein lächerlich scheinen mag, ist im Licht
der Sterne häufig gar nicht mehr so komisch. Das ist eine Tatsache, die jeder Regisseur von Horror-Filmen und jeder Verfasser von Horror-Romanen kennt und sich zunutze macht das ist einer jener immer funktionierenden Druckpunkte, wo
der Griff der Horror-Literatur am sichersten ist.* Das gilt natürlich in besonderem Maße für die Filmemacher, und von
    * Hin und wieder widersetzt sich jemand brillant der Tradition und
schafft etwas, das man als »Horror bei Sonnenschein« bezeichnen
könnte. Ramsey Campbell gelingt das in seiner Kurzgeschichtensammlung Demons by Daylight außerordentlich gut.
    allen Werkzeugen, die

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