Danse Macabre
sah). Soweit ich mich erinnern kann, erwischte eine sexy Miß ihn in der Badewanne. Pech.
Aber vergessen wir die Handlung. Konzentrieren wir uns
auf den Kniff. An einer bestimmten Stelle kam der Tmgler
ins Kino, tötete den Vorführer und erzeugte irgendwie einen
Kurzschluß in der Stromversorgung. In diesem Augenblick
gingen in dem Kino, in dem man sich befand, gleichzeitig alle
Lichter aus, und die Leinwand wurde dunkel. Nun war es
aber so, daß man denTingler, nachdem er sich ins Rückgrat
verbissen hatte, nur durch einen lauten, herzhaften Schrei
wieder loswerden konnte, was die Qualität des Adrenalins
veränderte, von dem er sich ernährte. Und an dieser Stelle
schrie ein Erzähler auf der Tonspur: »DerTingler ist jetzt in
diesem Kino! Er könnte unter Ihrem Sitz sein! Also schreien
Sie! Schreien Sie! Schreien Sie um Ihr Leben!« Natürlich gehorchte das Publikum mit Freuden, und in der nächsten Einstellung sahen wir denTingler, wie er um sein Lebenjief, weil
ihn die ganzen schreienden Menschen vorübergehend verjagt
hatten. Laut Dennis Etchison war das noch längst nicht alles,
Castle verwendete noch einen weiterenTnck bei der Erstaufführung von The Tingler (aber nur in ausgesuchten Kinos).
Bestimmte Reihen dieser Kinos, sagt Dennis, wurden »mit
elektrischen Summern an den Sitzen versehen, so daß man
denTingler im richtigen Augenblick in seiner eigenen Reihe
hören - und spüren konnte«!*
* Großer Gott, es macht richtig Spaß, über die verzweifeltenTricks nachzudenken, die verwendet wurden, um schlechte Horror-Filme zu verkaufen - wie die »Dish Nights« und »Bank Nights«, die die Zuschauer in den
dreißiger Jahren in die Kinos locken sollten, diese sind auch noch in angenehmer Erinnerung. Während eines importierten, italienischen Schmarrens The Night Evelyn Came Out ofthe Grave (tollerTitel!), warben die
Kinos mit »Blutcorn«, das war gewöhnliches, mit roter Lebensmittelfarbe eingefärbtes Popcorn. Während Jack the Ripper (dt: Eine Stadt
sucht einen Mörder), einem von Jimmy Sangster geschriebenen Beispiel
für den Hammerschen Horror ä la 1960, wurde der Schwarzweißfilm in
den letzten Minuten blutrünstig farbig, als der Ripper, der sich dummerweise entschieden hat, sich in einem Fahrstuhlschacht zu verstecken,
unter einer abwärts fahrenden Kabine zerquetscht wird .
Abgesehen von den Filmen meiner Liste, die das furchterregende Konzept der Dunkelheit im Titel verwenden, stützt
sich auch jeder andere Film der Liste nachdrücklich auf diese
Angst vor dem Dunklen. Bis auf etwa achtzehn Minuten
spielt John Carpenters Halloween zur Gänze im Dunklen. In Looking for Mr. Goodbar ist die letzte und grauenerregende
Sequenz (meine Frau lief zur Toilette, weil sie glaubte, sie
würde ihre Kekse wieder ausspucken), als Tom Berenger
Diane Keaton ersticht, in einer dunklen Wohnung aufgenommen, die nur von einem flackernden Stroboskoplicht erhellt
wird. In Allen muß man das konstante Motiv der Dunkelheit
nicht eigens erwähnen. »Im Weltraum hört dich niemand
schreien«, lautete ein Werbeslogan; er hätte auch lauten können: »Im Weltraum ist es immer eine Minute nach Mitternacht.« In diesem lovecraftschen Abgrund zwischen den Sternen dämmert es niemals.
Hill House ist immer unheimlich, aber es spart sich seine
wirklich spektakulären Effekte - das Gesicht in der Wand, die
vorquellenden Türen, die dröhnenden Geräusche, das Ding,
das Eleanors Hand hält (sie dachte, es war Theo, aber schluck! - sie war es nicht) - bis nach Sonnenuntergang auf.
Es war ein anderer Lektor von Everest House, BillThompson
(der seit schätzungsweise tausend Jahren mein Lektor gewesen ist; vielleicht war ich in einem früheren Leben sein Lektor, und jetzt bekommt er seine Rache), der mich an The
Night ofthe Hunter erinnerte mea culpa, daß es dieser Erinnerung bedurfte - und mir erzählte, daß eine Szene des
Schreckens, die ihn über die Jahre hinweg nie wieder losgelassen hat, der Anblick von Shelley Winters’ Haar war, das im
Wasser trieb, nachdem der mörderische Priester sie in den
Fluß geworfen hatte. Dies geschieht natürlich nach Einbruch
der Dunkelheit.*
Es besteht eine interessante Ähnlichkeit zwischen der
* Dennis Etchison (siehe das Vorwort zu dieser Ausgabe) widerspricht
BillThompsons Erinnerung -er sagt, es geschieht beiTage, andernfalls
wäre Shelley Winters auf dem Grund dieses Flusses nicht s ichtbar oder fotografierbar - gewesen. (Das wirft den interessanten Aspekt
auf, daß wir das Dunkel in
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