Danse Macabre
Mutter
trotzdem nicht gebrochen ist. Das Kindergesicht wird vom
Alter gezeichnet. »Sei kein Baby!« bekommt es ungeduldig
gesagt. »Immer hast du den Kopf in den Wolken!« Und natürlich das Größte: »Wirst du denn nie erwachsen werden?«
Nach einer Weile, verrät uns das Lied, hörte Puff der Zauberdrache auf, die Cherry Lane entlangzugehen, um seinen
alten Kumpel Jackie Paper zu sehen. Wendy und ihre Brüder
überließen Peter Pan und seine wilden Jungs schließlich
ihrem Schicksal. Kein Zauberpuder mehr, und nur noch gelegentlich ein glücklicher Gedanke …, aber Peter Pan hatte
stets etwas Gefährliches an sich, nicht? Etwas, das ein klein
wenig zu ausgelassen und wild war? Etwas in seinen Augen,
das …, nun, regelrecht dionysisch war.
Oh, die Götter der Kindheit sind unsterblich; die großen
jCJnder opfern sie nicht wirklich; sie geben sie einfach an ihre
rotznäsigen kleinen Brüder oder Schwestern weiter. Es ist die
Kindheit selbst, die sterblich ist; es liebt der Mensch, er liebt
das Vergängliche. Und nicht nur Puff undTink und Peter Pan
bleiben beim Wettlauf zum Führerschein, der High School
und dem Collegeabschlußzeugnis auf der Strecke, dem emsigenTraining, »gute Arbeitsgewohnheiten« zu entwickeln.
Wir haben jeder die Zahnfee verbannt (oder vielleicht verbannt sie auch uns, wenn wir ihr nicht mehr das geben können, was sie möchte), wir haben den Weihnachtsmann ermordet (um den Leichnam für unsere eigenen Kinder wieder zum
Leben zu erwecken), wir haben den Riesen getötet, der Jack
die Bohnenranke herunter verfolgte. Und den armen alten
schwarzen Mann! Er wurde wieder und immer wieder zu
Tode gelacht, wie Mr. Dark am Ende von Something Wicked
This Way Comes.
Hören Sie mir jetzt gut zu: Mit achtzehn oder zwanzig oder
einundzwanzig, ab wann es auch immer in Ihrem Bundesstaat
gesetzlich erlaubt sein mag, Alkohol zu trinken, ist es peinlich, wenn Sie nach einem »Altersnachweis« gefragt werden.
Sie müssen nach Ihrem Führerschein oder Ihrer State Liquor
Card oder vielleicht einer Fotokopie Ihrer Geburtsurkunde
suchen, damit Sie ein schlichtes verdammtes Glas Bier trinken können. Aber lassen wir einmal zehn Jahre herumgehen,
so daß Sie der großen Drei-Null direkt ins Antlitz sehen, und
plötzlich hat es etwas absurd Schmeichelndes, wenn ein Altersnachweis verlangt wird. Es bedeutet, daß Sie noch nicht
alt genug aussehen, sich an der Bar einen Drink zu kaufen.
Sie sehen immer noch nicht ganz trocken hinter den Ohren
aus. Sie sehen immer noch jung aus.
Das dachte ich vor einigen Jahren, als ich in einer Bar in
Bangor war, die Benjamin’s hieß, und mir angenehm einen
antrank. Ich fing an, die Gesichter der Leute zu studieren, die
eintraten. Der Typ, der unauffällig an der Tür stand, ließ diesen eintreten … und jenen … und den nächsten. Und plötzlich, peng! Er hielt einen Burschen im Jackett der University
of Maine an und verlangte, seinen Altersnachweis zu sehen;
Und der Teufel soll mich holen, wenn dieser Bursche nicht eiligst wieder verschwand. Damals lag die Altersgrenze für das
Alkoholtrinken in Maine noch bei achtzehn (seither haben
Unfälle auf den Straßen unter Alkoholeinwirkung die Verantwortlichen davon überzeugt, das Alter auf zwanzig hochzusetzen), und für mich hatten alle, die hereingekommen
waren, wie achtzehn ausgesehen. Also stand ich auf und
fragte den Rausschmeißer, wie er gesehen hatte, daß dieser
letzte Bursche unter achtzehn war. Er zuckte die Achseln.
»Das weiß man einfach«, sagte er. »Man sieht es meist in
ihren Augen.«
Ich sah mir noch Wochen später die Gesichter von Erwachsenen an und versuchte herauszufinden, was genau sie zu »erwachsenen Gesichtern« machte. Das Gesicht eines Dreißigjährigen ist gesund, frei von Falten und nicht größer als das
eines Siebzehnjährigen. Und dennoch weiß man, daß er kein
Kind mehr ist, man weiß es. Es scheint einige vorherrschende
Charakteristika zu geben, die das ausmachen, was wir alle als
erwachsenes Gesicht betrachten. Es sind nicht nur die Kleidung oder das Gehabe, es ist nicht dieTatsache, daß der Dreißigjährige einen Aktenkoffer und der Siebzehnjährige einen
Rucksack trägt; wenn man die Köpfe von beiden in diese
Jahrmarktsbilder einfügt, die den Körper eines hüpfenden
Seemanns oder eines Preisboxers zeigen, dann könnte man
den Erwachsenen immer noch bei zehn Versuchen zehnmal
herausdeuten.
Ich kam zu der Überzeugung, daß der Rausschmeißer
recht hatte. Es ist in den Augen.
Nicht
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