Danse Macabre
Könnte man sich eine bessere Nachricht für all jene
auf der Schwelle zur Sex-Welt denken, denen man beigebracht hat (sogar ganz sicher, und nicht zuletzt durch die
Filme selbst), daß erfolgreiche sexuelle Beziehungen von der
Dominanz des Mannes und der Unterwerfung der Frau abhängen? Der Joker in diesem Blatt ist, daß die meisten vierzehnjährigen Jungs, die erst vor kurzem ihr eigenes sexuelles
* »Bug-eyed monster« ist ein Ausdruck für Außerirdische, die in den frühen Science-Fiction-Zeitschriften ausnahmslos als »glubschäugige Ungeheuer« dargestellt wurden.
(Anm.d.Übers.)
Potential erkannt haben, sich selbst bestenfalls imstande
sehen, mit einigem Erfolg
das Playboy-Poster zu dominieren.
Sex vermittelt heranwachsenden Jungs eine Menge Gefühle,
und eines davon ist, ganz offen gesagt, Angst. Der HorrorFilm im allgemeinen und der Vampir-Film im besonderen bestätigen diese Angst. Ja, sie sagen: Sex ist furchteinflößend;
Sex ist gefährlich. Und ich kann dir das hier und jetzt beweisen. Setz dich, Junge. Nimm dein Popcorn. Ich möchte dir
eine Geschichte erzählen …
7
Genug von sexuellen Bedeutungen, wenigstens vorläufig.
Drehen wir die dritte Karte in diesem unbehaglichen Tarotspiel um. Vergessen wir Michael Landon und AIP vorerst.
Schauen Sie, so Sie es wagen, einem echten Werwolf ins Antlitz. Sein Name, sanfter Leser, ist Edward Hyde.
Robert Louis Stevenson plante Dr. Jekyll and Mr. Hyde schlicht und einfach als Schocker, als Reißer und, hoffentlich,
als Geldmaschine. Seine Frau war so entsetzt darüber, daß
Stevenson die erste Fassung verbrannte und es neu schrieb,
wobei er ein wenig moralisch Aufbauendes einfügte, um seiner Gattin entgegenzukommen. Von den drei hier behandelten Büchern, ist Jekyll and Hyde das kürzeste (es umfaßt
etwa siebzig eng gesetzte Seiten) und zweifellos das stilsicherste. Wenn Bram Stoker uns in Dracula große Batzen Horror
vorwirft und wir uns nach Harkers Konfrontation mit Dracula inTranssylvanien, dem Pfählen von Lucy Westenra, dem
Tod von Renfield und der Entweihung von Mina fühlen, als
hätte uns ein Schuh Größe vierundvierzig in die Eier getreten, dann ist Stevensons kurze und mahnende Geschichte wie
ein kurzer, tödlicher Schlag mit einem Eispickel.
Wie bei einer Gerichtsverhandlung (mit der sie der Kritiker G. K. Chesterton verglichen hat) hören wir die Erzählung durch eine Reihe verschiedener Stimmen, und Dr. Jekylls Geschichte offenbart sich durch jene, die damit zu tun
hatten.
Es fängt damit an, daß Jekylls Anwalt, Mr. Utterson, und
ein entfernter Verwandter, ein Richard Enfield, eines Morgens durch London schlendern. Sie gehen an einem »unschönen Gebäude« vorüber, das »eine blinde Front von nichtfarbigem Mauerwerk im ersten Stock« präsentiert und dessenTür
»voller Blasen und Flecken« ist.* Enfield sieht sich veranlaßt,
Utterson eine Geschichte über diese besondere Tür zu erzählen. Er sagt, daß er eines frühen Morgens hier vor Ort gewesen sei, als er zwei Leute bemerkte, die aus entgegengesetzten Richtungen auf die Ecke zugingen - ein Mann und ein
kleines Mädchen. Sie stoßen zusammen. Das Mädchen fällt
zu Boden, und der Mann - Edward Hyde - geht einfach weiter und tritt auf das schreiende Kind. Eine Menge versammelt sich (was all diese Leute an einem bitterkalten Wintermorgen um drei Uhr in der Frühe auf der Straße zu suchen
haben, wird nie erklärt; vielleicht wollten sie sich alle darüber
unterhalten, was Robinson Crusoe als Taschen benützte , als
er nackt zum Wrack seines Schiffes hinausschwamm), und
Enfield packt Mr. Hyde am Kragen. Hyde ist ein Mann von
so abstoßendem Äußeren, daß Enfield sogar gezwungen ist,
ihn vor der Menge zu beschützen, die kurz davor zu sein
scheint, ihn in Stücke zu reißen: »Während wir vor Wut glühend auf ihn einredeten, hielten wir ihm so gut es ging die
Weiber vom Halse, denn die waren wild wie Harpyien«, sagt
Enfield zu Utterson. Mehr noch, es ist so, daß der herbeigerufene Arzt »bleich und ihm übel wurde vor Verlangen, jenen
umzubringen«. Wieder einmal sehen wir den Horror-Autor
als Vertreter der Norm; die Menge, die sich versammelt hat,
hält getreulich nach dem Mutanten Ausschau, und in dem verabscheuenswürdigen Mr. Hyde scheinen sie den Geeigneten
gefunden zu haben - wenngleich Stevenson uns rasch versichert (durch Enfield), daß äußerlich mit Hyde alles in Ordnung zu sein scheint. Er ist nicht gerade JohnTravolta, aber er
ist auch nicht Michael Landen, der das
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