Einst und heute (German Edition)
Einst und heute
Erotische
Kurzgeschichte
von
Sisa
*
Es war wie ein Schock, als ich ihm wieder begegnete. Und
mochten auch noch so viele Jahre vergangen sein, so lösten sie sich in Nichts
auf, als wir uns gegenüber standen. All die Erinnerungen, die ich mit seinem
Gesicht verband und all die Empfindungen und Gefühle, die wir damals geteilt haben
– ja, auch all die gemeinsam gemachten Erfahrungen, von einem Lidschlag auf den
anderen waren sie uns beiden wieder allgegenwärtig!
Obwohl er reifer war und – natürlich – älter als damals,
hatte er sich äußerlich kaum verändert. Immer noch groß und schlaksig, wirkte
er ungewöhnlich jungenhaft. Und das, obwohl er bereits Anfang vierzig war, wie
ich genau wusste. Er hatte immer noch diesen lausbubenhaften Charme von damals
an sich und wirkte doch gleichzeitig auch so brav und unglaublich bieder, dass
ihn das wohl immer noch zum idealen Traumschwiegersohn für jede Mutter machte …
Das war er auch bei meiner eigenen Mutter gewesen – der
ideale Freund ihrer Tochter. Zwar nicht der erste, den ich ihr vorstellte –
aber immerhin der erste, der ihr Herz im Sturm eroberte. Sein schüchternes
Grinsen und das unsichere Zwinkern seiner leuchtend blauen Augen hatten sie
besiegt, und sie von einer Sekunde auf die andere ganz vergessen lassen, dass
sie doch eigentlich über die (vermeintliche) Tugend ihrer Tochter wachen sollte.
Nein, Hannes Reimer hatte so brav und harmlos ausgesehen,
dass sie mich ihm unbedenklich anvertraut hatte ohne je zu hinterfragen, was
wir beide eigentlich trieben, wenn sie nicht dabei war.
Süße Zeit der ersten Liebe …
Gegen meinen Willen drängten sich mir die Erinnerungen auf.
Dafür brauchte es nicht mehr, als ein schneller Blickwechsel quer über den Raum
hinweg. Das Eintauchen in diese türkisblauen Augen, die suchend in meine grünen
schauten. Und die Zeit und Gegenwart verschwanden im Nu. Wir waren wieder jung,
neugierig – und unschuldig. Ich war wieder das dreizehnjährige Mädchen, das
ihre Reize an dem fünf Jahre älteren „Mann“ ausprobierte. Der Teenager, der auf
ihn flog, weil er schon eine richtig „schwere“ Maschine fuhr.
Oh ja – er war mir mit seinen damals achtzehn Jahren sehr
erwachsen und sehr männlich vorgekommen. Er arbeitete als Mechaniker in einer
hiesigen Firma, verdiente sein eigenes Geld und – wie gesagt – der Umstand,
dass er ein Motorrad besaß, polierte mein Image bei meinen Freundinnen ungemein
auf.
Wen juckte es schon, dass das „schwere Motorrad“ in
Wirklichkeit nur ein Moped war, eine alte Zündapp – ich fand es einfach cool,
seine Sozi sein zu dürfen.
Sein Haar war immer noch rabenschwarz, nicht der kleinste
Silberschimmer hellte es auf … wirklich, die Zeit war fast spurlos an ihm
vorüber gegangen. Nicht so an mir. Vier Kinder hatte ich in der Zwischenzeit
geboren, etliche Pfund zugelegt. Allerdings auch mächtig an Erfahrung und
Selbstvertrauen gewonnen.
Nein, das unbedarfte Mädchen von damals gab es nicht mehr.
Aber auch nicht mehr die rothaarige, katzenäugige Nymphe von damals, die ihm so
sehr den Kopf verdreht hatte. Wir waren beide älter geworden, hatten unser
eigenes Leben geführt – und Jahre lang nicht mehr aneinander gedacht.
Und dann dieses unverhoffte Wiedersehen. Der Schock des
gegenseitigen Erkennens. Das Blitzen in den Augen, nachdem man sich taxiert und
abgeschätzt hatte. Und der Umstand, dass selbst die vielen Leute, die sich
zwischen uns befanden, nicht verhindern konnten, dass wir an damals dachten …
*
Damals … du meine Güte, das war tatsächlich ganze
zweiundzwanzig Jahre her!
Hannes war mein erster, richtiger Freund gewesen. Ich hatte
ihn nur durch Zufall kennengelernt, als er den Freund meiner besten Freundin
ins Kino begleitete. Und Erika, die damals nicht gewollt hatte, dass er sich
als fünftes Rad am Wagen fühlen musste, hatte mich einfach mitgeschleppt.
Himmel, es hatte sofort gefunkt zwischen uns beiden. Heftig
und intensiv. Er hatte mich Winzling wie einen Turm überragt und war seltsam
ungelenk gewesen – wie ein Fohlen, das zu schnell gewachsen war. Aber der
schwarze Schopf und die Türkisaugen hatten ihn unwiderstehlich gemacht. Als er
mich dann auch noch schüchtern anlächelte und meinte, was für ein Glück es doch
wäre, dass wir uns getroffen hätten, schmolz ich dahin wie Butter in der
Mikrowelle.
Die Liebe hatte wie der Blitz bei mir eingeschlagen – und
das fand in ihm ein heftiges Echo. So
Weitere Kostenlose Bücher