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Danse Macabre

Danse Macabre

Titel: Danse Macabre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kannibalismus. Renfield, der die Karriereleiter zu den Großen hinauf auf seine Weise erklimmt (er
fängt damit an, daß er Fliegen verspeist, danach Spinnen,
schließlich labt er sich an Vögeln), lä dt den Grafen in Dr.
Sewards Irrenhaus ein, und er weiß ganz genau, was er tut doch zu behaupten, daß er ein Charakter ist, der stark genug
wäre, die Verantwortung für alle folgenden Schrecken zu
    finden eine Szene vor, die eines Bosch würdig wäre: Der Graf umklammert Mina, sein Gesicht ist von ihrem Blut verschmiert. In einer
obszönen Parodie des Ehesakraments öffnet er mit einem schmutzigen Fingernagel eine Vene an seiner Brust und zwingt sie, daraus zu
trinken. Andere Auftritte des Grafen sind weniger wirkungsvoll. Wir
sehen ihn einmal mit einem albernen Strohhut eine Straße entlangschlendern, ein andermal liebäugelt er mit einem schönen Mädchen
wie irgendein schmutziger, alter Mann.
    übernehmen, hieße das Absurde zu behaupten. Sein Charakter ist zwar packend, aber nicht stark genug, diese Last auf
sich zu nehmen. Wir dürfen davon ausgehen, daß Dracula auf
andere Weise hineingelangt wäre, hätte er Renfield nicht benützt.
    In gewisser Weise war es die Moral von Stokers Zeit, die
verlangte, daß das Böse des Grafen von außen kommen
mußte, denn ein Großteil des im Grafen verkörperten Bösen
ist ein pervers sexuelles Böses. Stoker belebte die Vampirlegende neu, indem er einen Roman schrieb, der förmlich vor
sexueller Energie überfließt. Der Graf greift Jonathan Harker nie an; er wird den unheimlichen Schwestern versprochen, die mit ihm im Schloß leben. Harkers Begegnung mit
diesen üppigen, aber tödlichen Harpyien ist eine sexuelle,
und er hält sie in seinemTagebuch in Worten fest, die für das
England um die Jahrhundertwende erstaunlich deutlich sind:
    Das schöne Mädchen beugte sich über mich, indem sie sich
auf die Knie niederließ und mir starr in die Augen sah. Es
war eine wohlberechtigte Wollüstigkeit, die anziehend und
abstoßend zugleich wirkte; als sie ihren Nacken beugte,
leckte sie ihre Lippen wie ein Tier, so daß ich im Licht des
Mondes den Speichel auf ihren Scharlachlippen, ihrer
roten Zunge und ihren weißen Zähnen erglänzen sah. (…)
Ich hörte saugende Laute, als sie einen Augenblick innehielt und sich Zähne und Lippen leckte. (…) Ich fühlte erst
die zarte, zitternde Berührung ihrer weichen Lippen auf
der überempfindlichen Haut meiner Kehle und dann die
harten Spitzen zweier scharfen Zähne, die mich berührten
und darauf innehielten. Ich schloß die Augen in schlaffer
Verzückung und wartete - wartete mit bangem Herzen.
    Im England des Jahres 1897 war ein Mädchen, das sich »auf
die Knie niederließ«, keines, das man nach Hause brachte
und seiner Mutter vorstellte; Harker ist im Begriff, oral vergewaltigt zu werden, und es ist ihm vollkommen einerlei.
Und das macht nichts, weil er nicht verantwortlich ist. In sexuellen Fragen kann eine hochmoralische Gesellschaft im Konzept des äußeren Bösen ein psychologisches Überdruckventil
finden: Dieses Ding ist größer als wir alle, Baby. Harker ist
ein wenig enttäuscht, als der Graf hereinkommt und sein kleines zärtliches Zusammensein zunichte macht. Die meisten
von Stokers fassungslosen Lesern waren es wahrscheinlich
auch.
    Ebenso bedrängt der Graf nur Frauen: zuerst Lucy, dann
Mina. Lucys Reaktion auf den Biß des Grafen ist ganz ähnlich wie Jonathans Gefühle den drei Schwestern gegenüber.
Um es auf eine völlig vulgäre Weise auszudrücken, Stoker
deutet an, daß Lucy einen Orgasmus hat, der ihr das Gehirn
wegpustet. Am Tag führt eine immer blassere, aber makellos
apollinische Lucy die angemessene und sittsame Werbung mit
dem ihr verlobten Mann, Arthur Holmwood, aus. Nachts
aber schwelgt sie in dionysischer Ausgelassenheit mit ihrem
dunklen und blutigen Verführer.
    Im wirklichen Leben erlebte England zu der Zeit eine Mesmerismus-Laune - wenngleich Franz Mesmer, der Vater dessen, was wir heute Hypnose nennen, schon seit etwa achtzig
Jahren tot war. Wie der Graf, zogen auch viele von Mesmers
Schülern junge Mädchen vor, und diese Svengalis des neunzehnten Jahrhunderts brachten ihre Testobjekte in Trance,
indem sie sie am Körper streichelten …, überall. Viele der
weiblichen Testpersonen erlebten »wunderbare Gefühle«,
die ihren Höhepunkt in einer »Explosion der Freude« hatten.
Es scheint sehr wahrscheinlich, daß diese »Explosionen der
Freude« tatsächlich Orgasmen waren - aber sehr wenige

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