Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dante Valentine 05 - Hoellenschlund

Dante Valentine 05 - Hoellenschlund

Titel: Dante Valentine 05 - Hoellenschlund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
Vom Netzwerk:
ein Mauseloch betrachtet, geduldig und bewegungslos.
    Ich schloss die Augen. Atmete ein. Meine Schutzschilde waren in schlechtem Zustand, und aus den Löchern blutete Energie in die Luft. Meine Haut glühte vor Hitze, als sich mein dämonischer Stoffwechsel beschleunigte. Das Gebrüll menschlicher Gehirne außerhalb dieses kleinen Zimmers war genauso laut wie vorher, aber es drang nicht mehr mit Gewalt in meinen Kopf ein. Die Disziplin eines fast vierzigjährigen Psionenlebens kam mir jetzt zugute, und meine regelmäßig trainierten Reflexe flickten die Löcher in dem Energiemantel über mir, spannen kleine Fäden, um mich vor dem psychischen Wirbelsturm der Stadt zu schützen.
    Fast vierzig Jahre, als ich das letzte Mal nachgerechnet habe. Ich wusste nicht mal, welches Jahr gerade war.
    Die Absurdität der Situation sprang mir geradezu ins Gesicht. Danny Valentine, teildämonische Kopfgeldjägerin und hartgesottene Nekromantin, hatte keine Ahnung, in welchem Jahrzehnt sie gerade lebte.
    Keuchend krümmte ich mich zusammen. Lucas stand auf und schlurfte davon. Ich lachte, bis mir vor Sauerstoffmangel schwarze Punkte vor den Augen tanzten und die zitternde Kerzenflamme seltsame Schatten auf die nackten, weiß gestrichenen Wände warf.
    Lucas kam zurück, setzte sich im Schneidersitz hin, und sobald ich mir das heiße Salzwasser von den Wangen gewischt hatte und wieder etwas sehen konnte, reichte er mir die Flasche. Es war Reiswein, der in meinem Mund angenehm prickelte. Ich trank einen kräftigen Schluck und reichte ihm die grüne Plasglasflasche zurück. Er setzte sie an die Lippen und trank, ohne das Gesicht zu verziehen.
    Ich fragte mich, von wem das Blut auf seinem Gesicht stammte. Aber dann wurde mir klar, dass ich das lieber gar nicht wissen wollte. Es gab nur eins, was mich wirklich interessierte.
    „Was ist eigentlich los, verdammt noch mal?“
    Achselzuckend genehmigte er sich einen weiteren Schluck. „Du bist verschwunden, und dann ist das Chaos ausgebrochen. Dein grünäugiger Freund nimmt auf der Suche nach dir ganze Städte auseinander und geht dabei nicht gerade zimperlich vor. Dein blauäugiges Mädel hat zunächst versucht, sich von ihm fernzuhalten, aber vor etwa einem Monat hat sie sich dann auch in Luft aufgelöst. Jeder will ein Stück von Danny Valentine, und mir hat man bei der Suche nach dir ein paarmal fast den Kopf abgerissen. Noch nie in meinem Leben war ich derart froh, eine Datbandspur wieder aktiv werden zu sehen.“
    So hatte er mich also aufgespürt, mittels einer Datbandspur. Nur gut, dass mir sonst niemand so nah gewesen war, dass er den Code hätte eingeben können. „Sechs Monate.“ Ich starrte auf meine Hände hinunter. Von dem verkratzten schwarzen Molekularlack auf meinen Nägeln war fast nichts mehr übrig, und die Fingernägel schimmerten golden durch.
    Klauen. Ich konnte sie ausfahren, wenn ich wollte, und das Laken in Fetzen reißen.
    Ein Jahr in der Hölle ist nicht dasselbe wie ein Jahr in eurer Welt, ertönte Eves Stimme in meinem Kopf.
    Warum musste ich ausgerechnet jetzt daran denken? Ich war sechs Monate lang außer Gefecht gewesen – sechs Monate, an die ich mich nicht erinnern konnte. Vermutlich – und wenn ich Glück hatte – waren sie für immer verloren. Ich wollte jedenfalls nicht daran zurückdenken.
    Und was jetzt, Danny? Japhrimel ist auf der Suche nach dir, und Eve … hat er ihr etwas angetan? Wo hin ich gewesen?
    Es spielte keine Rolle.
    „Was, denkst du, sollten wir tun?“, flüsterte ich. Ich selbst wusste nicht mehr weiter.
    Lucas trank noch einen Schluck und reichte mir dann die Flasche. „Ich denke, wir sollten uns mit deinem Freund in Verbindung setzen. Es ist noch mehr Scheiße passiert, Valentine. Magi beschwören magische Kreise herauf und rufen … Wesen herbei.“
    „Ist das denn nicht der Sinn der Sache?“ Ich ließ einen weiteren Schluck Reiswein meine Speiseröhre hinunterbrennen. Bringen würde er mir nichts – mein teildämonischer Stoffwechsel baute Alkohol meistens umgehend wieder ab.
    Aber die Vorstellung, sich zu betrinken, war dermaßen verlockend, dass ich mich fragte, ob ich nicht ein Fass Bier oder auch was Stärkeres auftreiben sollte.
    „Nicht, wenn Magi immer wieder zerrissen werden, sogar dann, wenn sie bloß alltägliche Zauberei praktizieren. Hegemonie und Putchkin-Allianz haben gemeinsam eine Vorschrift erlassen, laut der Magi vorläufig nicht mehr praktizieren dürfen.“
    Ich starrte ihn mit offenem Mund an.

Weitere Kostenlose Bücher