Darf's ein Küsschen mehr sein?
Achtzigerjahre überstanden hatten. Was sie jedoch nicht sah, war der Mensch, nach dem sie Ausschau hielt, auch wenn sie nicht damit rechnete, ihn irgendwo an einem Tisch hocken zu sehen.
Sie zwängte sich zwischen einen Mann im blauen T-Shirt und eine Frau mit chemisch überstrapaziertem Haar auf den Barhocker. Hinter der Registrierkasse und den Spirituosen verlief ein Spiegel, so lang wie die Theke selbst, an der zwei Barkeeper Bier zapften und Drinks mixten. Keiner davon war der Besitzer dieses tollen Lokals.
»Die Kleine stand auf AC/DC, wenn ihr wisst, was ich meine«, prahlte der Mann links von ihr, und Maddie nahm an, dass er nicht über Back in Black oder Highway to Hell sprach. Besagter Typ war um die sechzig und hatte eine verbeulte Truckercap auf und einen Bierbauch wie ein Dreißigliterfass. Im Spiegel beobachtete Maddie, wie die Männer, die neben ihm aufgereiht saßen, nickten und dem Bierbauchtypen wie gebannt lauschten.
Einer der Barkeeper legte ihr eine Serviette hin und erkundigte sich nach ihren Wünschen. Er sah aus, als wäre er erst neunzehn, obwohl er mindestens einundzwanzig sein musste. Alt genug, um in dem Sumpf aus Tabakqualm und knietiefer Scheiße Alkohol auszuschenken.
»Saphir Martini. Extra trocken, mit drei Oliven«, sagte sie und überschlug im Kopf den Kohlehydratgehalt der Oliven. Sie zog ihre Handtasche auf den Schoß und sah zu, wie der Barkeeper sich umdrehte und nach den Flaschen mit Gin und Wermut griff.
»Ich hab der Kleinen gesagt, sie kann ihre Freundin ruhig behalten, wenn sie sie ab und zu mal mitbringt«, fügte der Typ zu ihrer Linken hinzu.
»Recht haste!«
»Geile Nummer!«
Andererseits war sie hier in einem Provinznest in Idaho,
wo gelegentlich über Nichtigkeiten wie Alkoholgesetze hinweggesehen wurde und manche Leute eine brillante Lügengeschichte für ein eigenständiges Literaturgenre hielten.
Maddie verdrehte die Augen und biss sich auf die Lippe, um ihre Kommentare für sich zu behalten. Sie hatte die Angewohnheit, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, was sie nicht unbedingt für eine schlechte Angewohnheit hielt, aber sie stieß damit nicht immer auf Gegenliebe.
Sie ließ den Blick im Spiegel an der Theke auf und ab schweifen, auch wenn sie es nicht für wahrscheinlicher hielt, den Eigentümer auf einem Barhocker zu entdecken als an einem Tisch. Als sie in der anderen Kneipe in der Stadt angerufen hatte, die ihm gehörte, hatte sie die Auskunft erhalten, dass er heute Abend hier wäre, und so nahm sie an, dass er hinten im Büro saß und die Buchhaltung prüfte. Oder, wenn er wie sein Vater war, den Innenschenkel einer Bardame.
»Ich bezahle grundsätzlich alles«, jammerte die Frau, die Maddie gegenübersaß, ihrer Freundin vor. »Ich hab mir sogar selbst eine Geburtstagskarte gekauft und sie von J. W. unterschreiben lassen, weil ich dachte, dass er sich dann schlecht fühlt und den Wink mit dem Zaunpfahl versteht.«
»Meine Güte.« Maddie konnte sich den Stoßseufzer nicht verkneifen und sah sich die Frau genauer an. Zwischen Flaschen mit Absolut- und Skyy-Wodka konnte sie eine blonde Löwenmähne, rundliche Schultern und große Brüste ausmachen, die aus einem roten, mit Strass verzierten Tanktop quollen.
»Aber er hat sich überhaupt nicht schlecht gefühlt, sondern sich nur beschwert, dass er so kitschige Karten nicht ausstehen kann!« Sie nippte an ihrem mit einem Schirmchen
verzierten Glas. »Wenn seine Mutter nächstes Wochenende verreist, soll ich abends vorbeikommen und für ihn kochen.« Sie wischte sich schniefend die feuchten Augen. »Ich überlege, ob ich mich weigern soll.«
Maddies Augenbrauen zogen sich zusammen, und im Nu war ihr ein »Willst du mich verarschen?« rausgerutscht.
»Wie bitte?«, fragte der Barkeeper, der ihr gerade den Drink hinstellte.
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts.« Während sie in ihre Handtasche griff und ihr Getränk bezahlte, hämmerte ein Song über einen Honky Tonk Badonkadonk, was zum Teufel das auch sein mochte, aus der leuchtenden Neon-Jukebox und verschmolz mit dem steten Stimmengemurmel.
Maddie schob ihren Pulloverärmel hoch und griff nach dem Martini. Während sie das Glas zum Mund führte, schaute sie auf die Leuchtzeiger ihrer Armbanduhr. Neun. Früher oder später musste sich der Kneipenbesitzer ja blicken lassen. Und wenn nicht, war morgen auch noch ein Tag. Sie trank einen Schluck, und die Gin-Wermut-Mischung wärmte ihren Magen.
Aber sie hoffte schwer, dass er sich eher früher als
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