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Darf's ein Küsschen mehr sein?

Titel: Darf's ein Küsschen mehr sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Gibson
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Kapitel 1
     
     
    Das leuchtend weiße Neonschild über der Mort’s Bar flimmerte und lockte die durstigen Bewohner der Kleinstadt Truly, Idaho, in Scharen an wie eine Insektenlampe. Aber das Mort’s war mehr als nur eine beliebte Kneipe. Mehr als nur ein Ort, an dem man kaltes Coors trinken und sich freitagabends in eine Schlägerei verwickeln lassen konnte. Das Mort’s war eine Institution, ähnlich wie die Alamo Autovermietung. Während andere Geschäfte kamen und gingen, war das Mort’s stets dasselbe geblieben.
    Bis vor etwa einem Jahr, als der neue Besitzer den Laden mit eimerweise Farbe und Desinfektionsmittel auf Vordermann gebracht und ein striktes Slipwerfverbot eingeführt hatte. Bis dahin war das Zielen mit Damenhöschen auf die Geweihreihe über der Theke gefördert worden wie eine neue Wettkampfdisziplin. Wenn eine Frau jetzt den Drang dazu verspürte, wurde sie auf dem nackten Arsch hinausgeschleift.
    Ach, die guten alten Zeiten.
    Völlig immun gegen die unterschwellige Verlockung, die das Licht durch die heraufziehende Dunkelheit aussandte, stand Maddie Jones vor dem Mort’s auf dem Bürgersteig und sah zu dem Leuchtschild auf. Gedämpftes Gemurmel und Musik drangen durch die Risse des alten Gebäudes zwischen »Ace Haushaltswaren« und dem »Panda Restaurant«.

    Ein Pärchen in Jeans und Tanktops drängelte sich an Maddie vorbei. Die Tür öffnete sich, und Stimmengewirr und das unverkennbare Banjo-Geklimper von Countrymusik strömten auf die Main Street. Als sich die Tür wieder schloss, stand Maddie immer noch draußen. Sie rückte ihren Handtaschengurt auf der Schulter zurecht und zog den Reißverschluss ihres dicken blauen Pullovers hoch. Da sie vor neunundzwanzig Jahren aus Truly weggezogen war, hatte sie vergessen, wie kalt es hier nachts wurde. Sogar im Juli.
    Sie machte Anstalten, die alte Tür zu öffnen, und ließ die Hand wieder sinken. Eine plötzliche Beklommenheit ließ ihr die Haare im Nacken zu Berge stehen und verursachte bei ihr Übelkeit. Dabei hatte sie das schon Dutzende Male getan. Warum also diese Beklommenheit? Wieso jetzt auf einmal?, fragte sie sich, obwohl sie die Antwort kannte. Weil es sie diesmal persönlich betraf, und sobald sie die Tür geöffnet und den ersten Schritt gewagt hatte, gab es kein Zurück mehr.
    Wenn ihre Freundinnen sie jetzt sehen könnten, wie sie dort stand, als seien ihre Füße einzementiert, wären sie schockiert. Immerhin hatte sie schon Serienkiller und kaltblütige Mörder interviewt. Doch Spinner mit asozialen Persönlichkeitsstörungen auszufragen war ein Klacks gegen das, was sie in der Mort’s Bar erwartete. Hinter dem »KEIN ZUTRITT UNTER 21«-Schild wartete ihre Vergangenheit, und wie sie in letzter Zeit hatte feststellen müssen, war es viel leichter, in der Vergangenheit anderer zu wühlen als in der eigenen.
    »Es hilft ja doch nichts«, murmelte sie unwirsch vor sich hin und griff nach der Türklinke. Sie ärgerte sich über ihre Feigheit, besann sich aber auf ihren eisernen Willen, der ihr
ein wenig die Angst nahm. Es würde nichts passieren, was sie nicht wollte. Sie hatte alles unter Kontrolle. Wie immer.
    Als sie eintrat, schlugen ihr der dumpfe Beat der Jukebox und der Gestank von Bier und Tabak entgegen. Die Tür schloss sich hinter ihr, und sie blieb stehen, bis sich ihre Augen an das schummerige Licht gewöhnten. Das Mort’s war bloß eine Bar. Wie tausend andere in den Staaten auch, in denen sie schon gewesen war. Nichts Besonderes, nicht einmal das Aufgebot an Geweihen, die über der langen Mahagonitheke hingen, fiel aus dem Rahmen.
    Maddie mochte keine Bars. Erst recht keine Cowboybars. Den Zigarettenqualm, das Countrygedudel, die Biersauferei. Aus Cowboys machte sie sich auch nicht viel. Eine gut sitzende Wrangler an einem knackigen Cowboyhintern konnte die albernen Stiefel, die protzigen Gürtelschnallen und die ekligen Kautabakklümpchen nicht ganz wettmachen. Sie stand auf Männer mit Anzügen und italienischen Lederschuhen. Nicht, dass sie in den letzten vier Jahren einen Mann gehabt hätte. Oder auch nur ein Date.
    Während sie sich zum einzigen leeren Barhocker mitten an der langen Mahagonitheke durchkämpfte, ließ sie den Blick über die Menschenmenge schweifen. Sie registrierte Cowboyhüte und Truckercaps, diverse Bürstenschnitte und ein oder zwei Vokuhilas. Ihr fielen Pferdeschwänze auf, schulterlange Pagenköpfe und ein paar der schlimmsten Dauerwellen und nach außen geföhnten Ponys, die die

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