Darf's ein Küsschen mehr sein?
verlassenes Kind gefühlt. Wie ein Kind, das sich fürchtete, zuzugreifen und die Verbindung herzustellen, aber gleichzeitig aufgeregt war, endlich etwas Handfestes zu haben, das seiner Mutter gehört hatte. Einer Mutter, an die es sich kaum erinnerte.
Maddie stellte ihre Colaflasche auf den Schreibtisch und drehte ihren Bürostuhl zu sich. An jenem Tag hatte sie den Schuhkarton mit nach Hause genommen und den Seidenbeutel in ihrem Schmuckkästchen verstaut. Dann hatte sie sich hingesetzt und die Tagebücher studiert. Sie hatte jedes einzelne Wort gelesen und sie an einem Tag verschlungen. Die Tagebücher hatten am zwölften Geburtstag ihrer Mutter begonnen. Einige waren dicker als andere, und ihre Mutter hatte länger gebraucht, um sie vollzuschreiben. Durch sie hatte sie Alice Jones kennengelernt.
Sie hatte sie als zwölfjähriges Kind kennengelernt, das davon geträumt hatte, erwachsen zu sein und eine Schauspielerin
zu werden wie Anne Francis. Als Teenager, der sich danach sehnte, bei einer Datingshow im Fernsehen die wahre Liebe zu finden, und als junge Frau, die immer an den falschen Stellen nach der Liebe suchte.
Maddie hatte etwas gefunden, das sie mit ihrer Mutter verband, doch je mehr sie gelesen hatte, desto verlorener war sie sich vorgekommen. Der Wunsch ihrer Kindheit war in Erfüllung gegangen, aber sie hatte sich noch nie so einsam gefühlt.
Kapitel 2
Mick Hennessy zog ein Gummiband über einen Stapel Geldscheine und legte ihn neben einen Stoß aus Kreditkartenquittungen und Einzugsermächtigungen. Das Rattern des elektrischen Münzsortierers erfüllte das kleine Büro im hinteren Teil des Mort’s. Alle außer Mick waren nach Hause gegangen, und er machte nur noch Kassensturz, bevor es ihn ebenfalls dorthin zog.
Kneipen zu besitzen und zu betreiben lag Mick im Blut. Micks Urgroßvater hatte während der Prohibition selbst gebrannten billigen Äthylalkohol verkauft. 1933, zwei Monate nach Aufhebung des 18. Zusatzartikels zur Verfassung der Vereinigten Staaten, als die Zapfhähne wieder flossen, hatte er dann das Hennessy’s eröffnet, und seitdem war die Bar in Familienbesitz.
Mick machte sich nicht viel aus streitsüchtigen Besoffenen, aber ihm sagten die flexiblen Arbeitszeiten zu, die seine Selbstständigkeit mit sich brachte. Er musste keine Befehle entgegennehmen und sich vor niemandem verantworten, und wenn er seine Kneipen betrat, empfand er einen Besitzerstolz, wie er ihn bisher für nichts anderes empfunden hatte. Seine Kneipen waren laut und chaotisch, doch es war ein Chaos, das er unter Kontrolle hatte.
Aber noch mehr als die flexiblen Arbeitszeiten und der
Besitzerstolz sagte Mick das Geldverdienen zu. In den Sommermonaten verdiente er sich an den Touristen und den Leuten aus Boise, die am See in Truly Wochenendhütten besaßen, eine goldene Nase.
Der Münzsortierer stoppte, und Mick ließ die Münzrollen in Papierhüllen gleiten. Plötzlich kam ihm eine dunkelhaarige Frau mit vollen roten Lippen in den Sinn. Er war nicht überrascht, dass Maddie Dupree ihm innerhalb von Sekunden, nachdem er seinen Platz hinter der Theke eingenommen hatte, aufgefallen war. Es hätte ihn eher überrascht, wenn es nicht so gewesen wäre. Mit ihrer wunderschönen glatten Haut und den verführerischen braunen Augen war sie genau der Frauentyp, auf den er flog. Der kleine Leberfleck an ihrem Mundwinkel hatte ihn daran erinnert, wie lange es schon her war, dass er einen Mund wie ihren geküsst und sich weiter nach unten vorgearbeitet hatte. Über ihr Kinn und die Wölbung ihrer Kehle immer weiter nach unten.
Seit er vor zwei Jahren zurück nach Truly gezogen war, hatte sein Liebesleben mehr gelitten, als ihm lieb war. Was echt scheiße war. Truly war ein Kaff, in dem die Menschen sonntags zur Kirche gingen und jung heirateten. Das blieben sie nach Möglichkeit auch, und wenn nicht, versuchten sie, möglichst schnell wieder in den Hafen der Ehe einzulaufen. Mick ließ sich nie mit verheirateten Frauen oder mit Bräuten ein, die auf der Suche nach einem Ehemann waren. Er dachte nicht mal im Traum daran.
Dabei gab es durchaus eine Menge lediger Frauen in Truly. Als Besitzer zweier Bars in der Stadt kam er mit vielen Frauen in Kontakt, die noch zu haben waren. Ein Großteil davon ließ ihn wissen, dass sie an mehr interessiert waren als
an seinem Cocktailangebot. Einige davon kannte er schon sein ganzes Leben. Sie kannten die Gerüchte und Klatschgeschichten über ihn und bildeten sich ein, auch
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