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Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit

Titel: Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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rot, aber sie schlossen sich. Man fütterte mich mit Hühnersuppe, und meine Kraft kehrte zurück, wie etwas Fremdes.
    Der Frühling kam und malte wieder Blätter an die Bäume. Meine Kraft war zurück, aber etwas anderes schien mir genommen zu sein. Es fehlte so sehr, dass ich diesem Etwas nicht einmal einen Namen geben konnte.
    Die Sonne zeigte sich, und sehr zu Bruder Glens Verdruss besuchte mich Lehrer Lundist und setzte den Unterricht fort.
    Als er das erste Mal kam, saß ich auf dem Bett. Ich beobachtete, wie er die Bücher auf den Tisch legte.
    »Dein Vater wird zu dir kommen, sobald er von Gelleth zurückkehrt«, sagte Lundist. In seiner Stimme erklang ein leiser Tadel, der jedoch nicht mir galt. »Der Tod der Königin und des Prinzen William lasten schwer auf ihm. Wenn sein Schmerz nachlässt, kommt er bestimmt, um mir dir zu sprechen.«
    Ich verstand nicht, warum Lundist eine Lüge für notwendig hielt. Ich wusste, dass mein Vater keine Zeit an mich vergeuden würde, solange es den Anschein hatte, dass ich im Sterben lag. Ich wusste, dass er erst kommen würde, wenn ihm der Besuch etwas nützte.
    »Erkläre mir, Lehrer«, sagte ich, »ist Rache eine Wissenschaft oder eine Kunst?«

 
6
     
    Der Regen ließ nach, als die Geister flohen. Ich hatte nur den einen besiegt, aber auch die anderen wandten sich zur Flucht und kehrten zu den Tümpeln zurück, in denen sie hausten. Vielleicht war meiner der Anführer gewesen; vielleicht werden Menschen im Tode feige. Ich weiß es nicht.
    Was meine eigenen Feiglinge betraf: Es hatte keinen Ort gegeben, zu dem sie fliehen konnten, und ich fand sie leicht. Makin fand ich als Ersten. Wenigstens er kehrte zu mir zurück.
    »Du hast es also mit der Angst zu tun gekriegt, wie?«, rief ich ihm zu.
    Er blieb kurz stehen und sah mich an. Es regnete nicht mehr so stark wie vorher, aber er stand trotzdem klatschnass da. Das Wasser strömte über seinen Brustharnisch und durch die Beulen und Dellen darin. Wachsam und noch immer nervös blickte er über die Sümpfe zu beiden Seiten der Totenstraße und ließ das Schwert sinken.
    »Einem Mann ohne Angst fehlt ein Freund, Jorg«, sagte er, und ein Lächeln fand den Weg auf seine dicken Lippen. »Weglaufen ist nicht schlecht. Zumindest wenn man dabei die richtige Richtung einschlägt.« Er zeigte dorthin, wo Rike mit einem Binsenbüschel rang; der Schlamm reichte ihm schon bis zur Brust. »Die Angst hilft einem Mann, seinen Kampf zu wählen. Du kämpfst gegen alle, mein Prinz.« Und er verbeugte sich dort auf der Totenstraße, mitten im Regen.
    Ich warf Rike einen kurzen Blick zu. Maical hatte ähnliche Probleme in einem Tümpel auf der anderen Seite der Straße. Allerdings standen ihm die Probleme bis zum Hals.
    »Letztendlich kämpfe ich gegen sie alle«, erwiderte ich.
    »Wähl deine Kämpfe«, sagte Makin.
    »Ich wähle den Boden, auf dem sie stattfinden«, sagte ich. »Ich wähle den Boden, aber ich laufe nicht mehr weg. Nie wieder. Das Weglaufen ist vorbei, und wir haben noch immer Krieg. Ich werde ihn gewinnen, Bruder Makin. Er wird mit mir enden.«
    Er verbeugte sich erneut. Nicht so tief wie beim ersten Mal, aber ich spürte, dass er es ernst meinte. »Deshalb folge ich dir, Prinz. Wohin auch immer.«
    Und so folgte er mir, als ich damit begann, Brüder aus dem Sumpf zu ziehen. Zuerst kümmerten wir uns um Maical, obwohl Rike heulte und uns verfluchte. Als der Regen noch mehr nachließ, sah ich den Grauschimmel und den Kopfkarren in der Ferne. Im Gegensatz zu Maical war der Graue so klug gewesen, auf der Straße zu bleiben. Wenn Maical so blöd gewesen wäre, ihn in den Sumpf zu führen, hätte ich ihn im Morast versinken lassen.
    Als Nächsten zogen wir Rike heraus. Als wir zu ihm gelangten, hatte der Schlamm beinahe seinen Mund erreicht. Nur sein weißes Gesicht ragte aus dem Tümpel, was ihn aber nicht daran hinderte, uns hingebungsvoll zu verfluchen. Die meisten Brüder fanden wir auf der Straße, aber sechs von ihnen hatte der Sumpf zu schnell verschlungen. Sie waren für immer verloren und bereiteten sich vermutlich darauf vor, die nächste Reisegruppe heimzusuchen.
    »Ich kehre zum alten Gomsty zurück«, sagte ich.
    Wir waren ein ganzes Stück über die Straße gekommen, und das Licht des Tages hatte uns fast ganz verlassen. Wenn man zurücksah, konnte man den Galgen nicht mehr erkennen; graue Regenschleier verhüllten ihn. Draußen im Sumpf warteten die Toten. Ich fühlte, wie mir ihre kalten Gedanken über die Haut

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