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Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit

Titel: Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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krochen.
    Ich forderte die Brüder nicht auf, mich zu begleiten. Keiner von ihnen wollte mitkommen, das wusste ich, und ein Anführer verliert Autorität, wenn er einen Befehl erteilt, den niemand befolgt.
    »Was willst du mit dem alten Priester machen, Bruder Jorg?«, fragte Makin. Er bat mich, nicht zum Galgen zu reiten. Er brachte es nur nicht fertig, es mir direkt zu sagen.
    »Willst du ihn noch immer verbrennen?« Trotz des Schlamms grinste Rike wieder und freute sich.
    »Ja«, sagte ich. »Aber ich kehre nicht deshalb zu ihm zurück.« Und ich ging über die Totenstraße, in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
    Regen und Dunkelheit umhüllten mich. Ich verlor die auf der Straße wartenden Brüder aus den Augen. Weiter vorn warteten Gomst und der Galgen auf mich. Ich schritt in einem Kokon aus Stille, nur begleitet von den leisen Worten des Regens und dem Geräusch meiner Stiefel auf der Totenstraße.
    Ich gebe es jetzt zu: Die Stille machte mir schwer zu schaffen. Es ist die Stille, die mir Angst macht. Die leere Seite, auf die ich meine Furcht schreiben kann. Von den Geistern der Toten steht nichts darauf. Jener Geist hatte mir die Hölle zeigen wollen, aber es war nur eine billige Imitation des Entsetzens gewesen, das ich in die Dunkelheit eines stillen Moments malen kann.
    Und dort hing er, Pater Gomst, Priester des Hauses Ankrath.
    »Pater«, sagte ich und deutete eine Verbeugung an. In Wirklichkeit aber war ich nicht zum Scherzen aufgelegt. Ich hatte einen dumpfen Schmerz hinter den Augen, jene Art von Schmerz, der Leute töten konnte.
    Aus großen Augen sah er mich an, als sei ich ein aus dem Schlamm gekrochener Sumpfgeist.
    Ich ging zur Kette, an der der Käfig am Galgen hing. »Gib gut Acht, Pater.«
    Das Schwert, das ich zog, hatte keine vierundzwanzig Stunden zuvor den alten Bovid Tor aufgeschlitzt. Jetzt schwang ich es, um einen Priester zu befreien. Die Kette gab unter der Schneide nach. Magie steckte in der Klinge, oder vielleicht irgendeine Teufelei. Vater hatte mir erzählt, dass sich das Schwert seit vier Generationen im Besitz der Ankraths befand und vom Haus Or stammte. Der Stahl war also schon alt gewesen, als ihn zum ersten Mal eine Ankrath-Hand berührt hatte. Es war alt gewesen, bevor ich es gestohlen hatte.
    Der Käfig fiel, prallte hart und schwer aufs Pflaster. Pater Gomst schrie und stieß mit dem Kopf gegen das Gitter. Ein blutiges Muster blieb auf der Stirn zurück. Die Käfigtür war mit Draht gesichert, den unser Ahnenschwert, zweimal gestohlen, mühelos durchschnitt. Für einen Moment dachte ich an Vater und stellte mir vor, wie er voller Zorn eine Grimasse schnitt, weil ich eine erhabene Klinge so niedere Arbeit verrichten ließ. Meine Vorstellungskraft ist groß, aber es fiel mir schwer, Gefühl in Vaters steinernes Gesicht zu meißeln.
    Gomst kroch aus dem Käfig, so steif und schwach, wie es seinem Alter entsprach. Es gefiel mir, dass er den Anstand hatte, die Jahre auf seinen Schultern zu fühlen. Manche Leute werden mit den Jahren einfach nur zäh.
    »Pater Gomst«, sagte ich, »du solltest dich besser beeilen, denn sonst kommen die Toten der Sümpfe und erschrecken uns mit ihrem Stöhnen und Heulen.«
    Er sah mich an und wich zurück, als hätte er einen Geist gesehen. Dann beruhigte er sich.
    »Jorg«, sagte er voller Anteilnahme. Er war voll davon, es lief ihm aus den Augen, wenn es nicht nur der Regen war. »Was ist mit dir passiert?«
    Ich will euch nicht anlügen. Die Hälfte von mir wollte ihm das Messer in den Leib stoßen, so wie beim rotgesichtigen Gemt. Mehr als nur die Hälfte. In meiner Hand juckte das Bedürfnis, das Messer zu ziehen. Der Kopf schmerzte mir davon, als zöge jemand einen Schraubstock an meinen Schläfen fest.
    Ich bin als Querkopf bekannt gewesen. Wenn jemand Druck ausübt, drücke ich zurück. Selbst wenn derjenige, von dem der Druck kommt, ich selbst bin. Es wäre leicht gewesen, ihm hier und jetzt den Bauch aufzuschneiden. Leicht und befriedigend. Aber der Wunsch war zu groß. Ich fühlte mich von ihm unter Druck gesetzt.
    Ich lächelte und sagte: »Verzeih mir, Pater, denn ich habe gesündigt.«
    Und der alte Gomsty, obwohl steif vom Käfig und in allen Gliedern wund, neigte den Kopf, um sich meine Beichte anzuhören.
    Ich sprach im Regen zu ihm, leise und ruhig. Aber laut genug für Pater Gomst, und laut genug für die Toten, die in den Sümpfen um uns herum hausten. Ich erzählte von den Dingen, die ich getan hatte, und auch von

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