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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Eltern im Haus geblieben. Meine Mutter hatte mich geboren, während vor den Fenstern die Menschen tanzten. Dad hatte mir später erzählt, dass ich ein Sorgenkind gewesen war. Es brauchte mehrere Klapse auf den Po und einen nassen Lappen im Gesicht, bis ich zu atmen begann, und erst Stunden nach meiner Geburt gelang es meiner Mutter, mich mit Tricks und Kniffen dazu zu bringen, an der Brust zu trinken. Etwa um die gleiche Zeit schwoll draußen das Geschrei an. Die Percents kamen mit Schutzanzügen bekleidet, in Autos und auf Pferden, schossen blindlings in die Menge. Sie töteten Männer, Frauen, Kinder, ja selbst Hunde; überfuhren so viele Menschen, wie sie erwischten, oder ritten sie nieder. Es hieß, sie waren außer sich gewesen. In Rage, mordlüstern, vollkommen ohne jede Hemmung. Leichenteile und Blut hatten noch in derselben Nacht Horden von Mutantratten in die Stadt gelockt, die zwischen den Fetzen der Gefallenen eine Fressorgie feierten.
    Wir erfuhren nie, ob der Sonnentag eine Falle gewesen war oder ob Dark Canopy an diesem Tag wirklich nicht funktioniert hatte. Wie auch immer. Am Abend meines Geburtstags glühte das Licht der untergehenden Sonne auf den blutbesudelten Straßen. Es war der letzte Sonnenuntergang, an den man sich erinnerte.
    • • •
    Penny ließ ihr Buch sinken und sah mich an. »Darf ich dich um eines bitten, Kleines?«
    Ihre Worte machten mich misstrauisch. »Um was?«
    »Verhure dich für diese Sache, wenn du glaubst, dass es etwas bringt«, sagte sie in einem Tonfall, als spräche sie über das Schälen von schwarzen Rüben, »aber mach nicht mit. Lass die Männer das regeln. Wir brauchen dich hier. Geh nicht mit ihnen.«
    Ich erwiderte ihren Blick, dachte aber nicht über ihre Bitte nach. Nein, ich fragte mich bloß, ob ich in wenigen Jahren dieselben Falten um die Lippen haben würde und den gleichen müden, glasigen Glanz in den Augen. Vielleicht kam es daher, dass Penny kaum schlief. Ihr Baby weckte sie nachts alle zwei Stunden. Wenn es Ruhe gab, verlangte Ennes nach ihr. Und wenn auch er einmal nichts von ihr wollte, dann las sie den dummen Roman aus den Zeiten vor dem Krieg, in dem es nur darum ging, ob der Held die Heldin am Ende heiratete und sie mit ihren Kindern glücklich lebten bis ans Ende aller Tage. Die Helden hatten ja nicht ahnen können, wie dieses Ende aussehen würde.
    Wir steckten mittendrin, im Ende der Welt.
    Penny war fünfundzwanzig und seit einer kleinen Ewigkeit hielt sie sich für meine Mutter. Ich liebte sie, ich liebte sie wirklich, aber nicht ansatzweise genug, um zu werden, wie sie mich haben wollte. So wie sie.
    »Joy. Kleines, bitte.«
    Joy war kein Kleines, war es nie gewesen. Joy war eine Kriegerin.
    »Bitte mich um etwas anderes, Penny.«
    • • •
    Matthial ließ mich über Josh wissen, dass er fünf Leute auf unsere Seite gebracht hatte, während ich mich - Josh zitierte das wörtlich - »mit einem abgerackert« hatte. Daraufhin ging ich zu den Matches-Brüdern, die Matthial nicht dabeihaben wollte, weil er für sie keine Chance sah, den Angriff zu überstehen.
    »Ein paar von uns werden Amber retten«, sagte ich mit vorgeschobener Unterlippe und erhobenem Kinn. »Vielleicht gelingt es uns, auch eure Schwester zu befreien. Seid ihr dabei?«
    Danach stand es fünf zu drei und Matthial hasste mich. Ich spielte mit dem Gedanken, ihm zu erzählen, dass ich an ihn gedacht hatte, während ich bei Willie gewesen war. Ich hatte Willie nicht angesehen, um mir Matthial vorstellen zu können. Das war misslungen. Später hatte ich geweint und wollte ihm das sagen, wollte es so laut brüllen, dass es alle hörten.
    Ich ließ es, als mir klar wurde, was ich damit erreichen wollte. Matthial und Willie sollten sich genauso benutzt fühlen wie ich. In meinem Kopf waren wir ein dreckiger, kleiner Dreierhaufen, in dem jeder jeden beschmutzte, beschämte und sich selbst am Elend der andern beiden aufgeilte. Es beschäftigte mich so sehr, dass ich Amber darüber fast vergaß. Das wiederum fiel mir erst auf, als ich Matthial im Hof sah, wie er mit einem Stock Karten von der Stadt in den Sand malte, Pläne schmiedete und immer wieder alles glatt strich, seine Ideen verwarf und neu überlegte. Zwei Stunden stand er da, grübelte und ließ immer wieder das Gesicht in die Handfläche sinken. Ich beobachtete ihn von einem mit Brettern zugenagelten Fenster aus durch einen schmalen Spalt und rief mir in Erinnerung, wie es klang, wenn er schnarchte, weil ich Willies

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