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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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so stark, dass ich das Gefühl bekam, nur Knochen in der Hand zu halten. Auch ihn sollte mir niemand wegnehmen.
    Als wir uns der Stadt näherten, verstummte das Vögelchen, unsere Schritte wurden leiser und die Wortwechsel auf ein Minimum reduziert oder in Zeichensprache abgehalten. Sobald der Zaun in Sichtweite kam, wurden wir zu Geistern. Lautlos und beinahe unsichtbar. Wie abgesprochen, trennten wir uns und schnitten an zwei verborgen liegenden Stellen schmale Löcher in den Zaun.
    Matthial führte meine Gruppe an. Willie, Liza, zwei weitere und ich folgten ihm. Unsere Blicke hasteten umher, als wir das Revier der Percents betraten, ihre Stadt durchmaßen, als wäre es unsere. Wenn Passanten uns entgegenkamen, brach uns der Schweiß aus, ehe wir erkennen konnten, ob es Menschen waren oder Percents. Angst begleitete uns. Wir standen unmittelbar vor dem Angriff auf das Hotel. Noch nie seit Beginn der neuen Zeitrechnung vor vierzig Jahren hatte es jemand gewagt, ihre Zentrale anzugreifen.
    Der im Nachhinein betrachtet schlimmste Moment war der, als wir uns trennten. Allein waren wir unauffälliger und konnten die Lage breitflächiger sondieren. Meine Gruppe sollte an einem verfallenen Brunnen, der einst als Zierelement gedient hatte, wieder Zusammentreffen. Von dort aus würden wir durch die Kellerfenster ins Hotel einbrechen, während die andere Gruppe vor dem Gebäude für reichlich Ablenkung sorgen sollte. Es würde brenzlig werden. Wir planten, die Front des Hotels in Flammen zu setzen.
    Nach und nach verschwanden meine Freunde in der Nacht. Matthial verschmolz als Letzter mit der Dunkelheit. Einen Moment lang fühlte ich mich von der Einsamkeit gelähmt, sodass ich fürchtete, gar nicht bis zum Brunnen zu kommen.
    Mein Weg führte mich halbkreisförmig um die ehemalige Marktstraße. Eine Straße, die von Menschen auch nachts häufig genutzt wurde, weil sie einen Bogen um die Häuser machte, wo es Bars gab, in denen die Percents ein und aus gingen.
    Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich meine Marke berührte, sie unter meine Kleidung steckte, wo ich sie an der Haut spürte, und rasch wieder herausholte, um sie sichtbar vor der Brust zu tragen. Die kleinen Metallmünzen waren unsere Maskierungen. Dahinter versteckt, konnten wir vorgeben, in die Stadt zu gehören. Solange niemand zu genau hinsah. Jedes Mal kroch mir mit der Metallmarke auch die Kälte unter die Kleidung. Wie erleichternd es war, aus einem physischen Grund zu zittern statt aus Furcht.
    Unbescholten erreichte ich den Brunnen und blieb zunächst im Schatten einer engen Gasse. Es stank nach Urin, aber ich hatte gelernt, jeden Vorteil zu nutzen. Der Gestank war wie eine Mauer, die mich vor dem Geruchssinn der Feinde verbarg.
    Ein paar beleuchtete Fenster tauchten die Querstraße in gelbliches Licht. Ich entdeckte Willie, der sich an die Natursteinmauer lehnte, die den Brunnen umschloss, und mit den Füßen den Splitt hin und her schob. Die Ölbeutel, mit denen wir die Hotelfassade anzünden wollten, um für Chaos unter den Percents zu sorgen, das uns den Weg ebnen sollte, um Amber zu befreien, zogen seinen Gürtel nach unten. Liza kam eilig die Straße entlang und raunte ein paar Worte in Willies Richtung, ohne stehen zu bleiben. Sie verschwand und schien mich nicht bemerkt zu haben. Willie verharrte augenscheinlich ungerührt, doch seine Füße standen nun still.
    Mein Herz pumpte einen Schwall Eiswasser durch meine Adern. Da war etwas passiert! Ich wusste es, als hätten die beiden es in meine Richtung gebrüllt.
    Willie streckte die Arme, ich hörte seine Gelenke knacken. Er gab ein Gähnen vor - was hieß, dass die Luft rein war -, aber seine Augen blieben dabei geöffnet. Ich wollte zu ihm gehen, doch im gleichen Moment entdeckte ich einen patrouillierenden Percent in unsere Richtung kommen. Ich blieb in meinem Versteck und grub die Zähne in die Unterlippe, bis ich Blut schmeckte. Der Percent ging wenige Schritte neben Willie vorbei, ich sah seine Haut beben. Er witterte. Er konnte Adrenalin in der Luft riechen und trotz einer Tarnung aus Kräuterextrakt vielleicht auch das Öl, sollte der Beutel nicht fest verschlossen sein. Mir blieb nichts, als zu hoffen, dass Willie sich im Griff hatte. Wurden die Schritte des Percents langsamer? Ich hätte beinahe laut aufgeatmet, als er Willie passiert hatte.
    Sicherheitshalber blieb ich noch ein paar Minuten im Versteck und wartete. Wo steckten nur Matthial und die anderen? Ich vermutete, dass sie

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