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dark canopy

Titel: dark canopy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Stöhnen nicht aus dem Kopf bekam.
    Matthial verachtete mich nur halb so sehr, wie ich es selbst tat.

6
    wer sich verstecken muss,
lernt im dunkeln zu sehen.
    Die Sterne sowie ein paar graublaue Fäden im Nachthimmel, die erahnen ließen, dass es irgendwann auch wieder Tag werden würde, waren uns genug Licht, um den Weg zur Stadt zu finden. Jeder von uns, ein knappes Dutzend mutloser Angreifer, hätte ihn blind gefunden.
    »Hey, du!« Ich hatte vergessen, wie der jüngere Matches-Bruder hieß.
    Er reagierte nicht, sondern ging ungerührt weiter, die Augen halb geschlossen, die Flöte an den Lippen. Ich stieß ihm in die Seite und er verriss den Ton.
    »Sollen die Percents von Weitem hören, dass wir kommen? Gib endlich Ruhe.«
    Matthial griff nach meinem Handgelenk. »Nervös, Joy?«
    Mehr als das. Ich schüttelte ihn ab. »Er geht mir auf die Nerven mit seinem Gedudel.«
    Der Junge schloss die Finger um seine Flöte, als wäre sie eine Waffe, aber sein Blick klebte am Boden. Er wagte nicht, mir zu widersprechen, und für einen Moment fragte ich mich, warum. Sah ich so furchterregend aus? Merkte er nicht, dass ich es war, die sich fast in die Hosen machte vor Angst?
    »Wir sind noch viel zu weit von der Stadt entfernt«, meinte der ältere Matches-Bruder, der einen guten Meter hinter uns ging. »Die hören uns nicht. Und wenn, dann schöpfen sie keinen Verdacht, wenn wir uns harmlos geben.«
    Klar, dass er so dachte. Das war Städter-Logik. Fall nicht auf und du bist sicher. Was sie immer wieder vergaßen, war, dass außerhalb der Städte jeder Mensch gegen die Gesetze verstieß; egal was er plante, egal woher er kam, egal wohin er wollte. In den Städten galt des Nachts keine Ausgangssperre, aber außerhalb des Zauns war dies immer der Fall.
    Ich entgegnete nichts, sah weiterhin seinen Bruder an. Er hatte etwas Vogelhaftes an sich mit seinem spitzen Gesicht, den runden Augen und dem fedrigen roten Haar. Immer noch mied er meinen Blick und ich wusste nicht, ob er mir leidtun sollte, weil er sich so fürchtete, oder ob ich ihn dafür verachtete, es so offen zu zeigen.
    Letztlich entschied ich mich, dass es besser wäre, wir würden alle gemeinsam die Percents fürchten statt uns gegenseitig. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter - verdammt, war der Junge knochig -und wiederholte mein »Hey«, diesmal sehr ruhig, fast geflüstert. »Wir schaffen das schon.« Was übersetzt hieß: Tut mir leid, dich angeschnauzt zu haben, Vögelchen. Aber ich glaube nicht, dass er mich verstand.
    »Nja, wir zeigen es ihnen«, erwiderte er.
    Den nächsten halben Kilometer grübelte ich, ob ich ihn wirklich verstanden hatte und ob er eine Antwort von mir erwartete. Etwas wie: Ja, ganz sicher, kleiner Matches-Bruder!, oder: Du wirst sie wegblasen, Vögelchen! Etwas, das ihm Mut machen würde. Etwas, das ich ihm nicht versprechen konnte, doch selbst so gerne glauben wollte.
    Zumindest spielte er weiter.
    • • •
    Die Planungen hatten fast eine Woche beansprucht. Abwechselnd waren wir in die Stadt vorgedrungen und hatten Verstecke rund um das Hotel ausspioniert, um jeden Krieger mit seiner Waffe bestmöglich zu platzieren. Wir hatten die Percents genau beobachtet, jeden ihrer Schritte aufgezeichnet, und kannten ihre Routinen, als wären es unsere. Wir wussten um die wenigen Schwachstellen, die das Hotel hatte. Das Problem war, dass wir nicht mit Gewissheit sagen konnten, ob Amber wirklich im Hotel gefangen gehalten wurde. Für mich bestand kein Zweifel. Amber war hübsch und wusste zu viel. Sie war wertvoll für die Missgeburten; so schrecklich wertvoll, dass es mir den Magen umdrehte. Die anderen mochten von ihr denken, was sie wollten, und über ihre Mutlosigkeit herziehen, aber verraten hatte sie uns nicht.
    Im Coca-Cola-Haus blieb es friedlich, sah man von unserem Befreiungskommando ab, dem die anderen nur Ablehnung und Unverständnis entgegenbrachten.
    Amber schwieg. Was bedeutete, dass sie stark war. Oder tot.
    Ich schüttelte mich bei dem Gedanken und an meinem Rücken knisterte es. Ich hatte ein Stück quadratischen Stoff an drei Seiten auf die Innenseite meines Unterhemdes genäht, sodass eine Art flache Tasche entstanden war. Darin trug ich meine Papiere immer mit mir herum. Ich wollte Mars keine Möglichkeit bieten, sie mir wegzunehmen. Sie gehörten mir.
    • • •
    Matthial griff ein weiteres Mal nach meiner Hand, diesmal ließ ich es zu. Er streichelte mit dem Daumen über meine Knöchel und ich drückte seine Finger

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