Dark Desires - Im Bann der Unsterblichkeit
Kombis und rauchte in aller Ruhe eine Zigarette. Allan war Single, wie die meisten von ihnen, und hatte es nicht eilig, die Heimfahrt anzutreten.
„Nathan geht zurück nach Auckland.“ Allan blies Zigarettenrauch durch die Nase aus. „Lenny von der Tagschicht hat’s mir erzählt.“
Jesse hob verwundert die Augenbrauen. Das waren mal gute Nachrichten. Obwohl ihm die Arktis besser gefallen hätte. Die lag weiter weg.
Sobald er auf dem Freeway war, kramte er eine verkratzte Pink Floyd-Kassette aus dem Handschuhfach hervor. In der Hoffnung, das Band würde diesmal nicht gefressen werden, schob er sie ins Autoradio und drehte die Lautstärke soweit auf, dass die sphärischen Gitarrenklänge das Brummen des Motors übertönten.
Wegen Nathan Reynolds hatte er vor drei Monaten von der Tagschicht in die Spätschicht gewechselt. Nathan war siebenundzwanzig, gebaut wie ein Schrank, großmäulig und simpel gestrickt. Wie Allan kam er aus Auckland, aber dort endeten bereits die Gemeinsamkeiten. Nathan war der Alleinunterhalter der Tagschicht und redete ausschließlich über zwei Dinge: Sport und Sex. Besonders Sex. Wann, wo, wie, welche Mädchen, wie viele, wie jung, wie schön, wie geil. Nach jedem Wochenende ging es von vorne los. Anfangs hatte Jesse die Hoffnung gehegt, der Junge würde sich einkriegen. Wie viel Blabla konnte ein einzelner Mensch von sich geben? Nach Monaten endlosen Sex-Geschwafels hatte er eingesehen, dass die Hoffnung vergebens war. Jesse hatte auf Durchzug geschaltet, von Zeit zu Zeit höflich genickt und ansonsten seine Arbeit gemacht. Irgendwann war das Gespräch auf die drei Jessicas gekommen; Jessica Simpson, Jessica Alba und Jessica Biehl. Mitten in einer Erörterung über Körbchengröße, Blow-Jobs und körperliche Flexibilität hatte Nathan innegehalten und Jesse gefragt, welche er lieber nageln würde: die Simpson, die Alba oder die Biehl. Jesse hatte die Achseln gezuckt und geantwortet, keine von ihnen sei sein Typ. Nathan und sein bester Kumpel Conrad hatten sich ungläubig angeguckt.
„Die sind alle nicht mein Typ“, hatte Nathan ihn nachgeäfft. „Bist du schwul, oder was?“
Jesse wusste bis heute nicht, was ihn damals geritten hatte. Wahrscheinlich war er es müde gewesen, Nathans endloses Gelaber anzuhören.
„Und wenn?“, hatte er gefragt.
Schlagartig war es in der Lagerhalle ruhig geworden. Nach kurzem Zögern hatten Nathan und Conrad angefangen zu lachen. Erst belustigt, dann, als er nicht mitlachte und zugab, dass alles nur ein Scherz war, auf diese unsichere Weise, auf die Hetero-Männer lachten, sobald sie ihre Männlichkeit bedroht sahen.
„Du verarschst mich!“, hatte Nathan ihm eine letzte Chance gegeben, das Missverständnis aufzuklären.
Jesse hatte den Kopf geschüttelt.
Da war Nathan zurückgetreten und hatte ihn mit diesem allzu vertrauten Blick gemustert: Du mieser Verräter! Du perverser Schwanzlutscher!
Plötzlich war der Neuseeländer ganz blass geworden. Vermutlich war ihm in diesem Moment eingefallen, wie oft sie in der Sammeldusche nebeneinandergestanden hatten. Jesse hatte es in seinen Augen aufblitzen sehen: das Verlangen, ihn zu einem Haufen Brei zu schlagen. Ihn für jeden unsittlichen Gedanken zu bestrafen, den er gehabt hatte. Oder hätte haben können.
Manchmal war es besser, die Klappe zu halten.
Seit diesem Tag war das Arbeitsklima im Eimer gewesen. Nathan und Conrad hatten kein Wort mehr mit ihm gewechselt und demonstrativ die Umkleidekabine und den Pausenraum verlassen, sobald er eintrat. Er wurde wie zufällig angerempelt, es fielen dumme Bemerkungen, Schwulenwitze wurden gerissen, die beiden ließen sich viele Nettigkeiten einfallen, um ihm das Leben schwer zu machen. Einige der anderen Kollegen hatten versucht, die beiden zur Vernunft zu bringen, allerdings ohne Erfolg.
Schließlich war Jesse zur Geschäftsführerin gegangen, die Nathan und Conrad empört zu sich zitiert hatte.
Die Quittung dafür war prompt am nächsten Tag gekommen.
Nathan und Conrad hatten ihm nach Schichtende auf dem Parkplatz aufgelauert, ihn in eine abgelegene Ecke gezerrt und beleidigt. Conrad, der Mitläufer, hatte feixend Schmiere gestanden, während Nathan, der Macher, Jesse rumschubste. Trotz seiner Wut war Jesse nicht auf die plumpen Herausforderungen zu einer Prügelei eingegangen. Nathan spielte in seiner Freizeit Rugby, gegen den wäre er chancenlos gewesen. Schließlich hatte Nathan die Geduld verloren. Drei schnelle Schläge,
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