Dark Hearts
mir Jemand wie Raj also Angst machen?
Ich hob meinen Blick, aber als ich seinen wütenden Gesichtsausdruck sah, senkte ich ihn wieder. Was war nur los mit mir? Lag es an meiner Erziehung? Ich wollte den Mann vor mir fest und aufrecht ansehen, aber ich konnte einfach nicht. Er hatte zu mir hinab geblickt wie Vater. Unverwandt. Lieblos. Kalt. Wie hatte ich eben gerade noch glauben können, menschliche Männer wären anders und besser? Jetzt hasste ich es hier. Ich würde in Gefangenschaft leben, wenn ich hier blieb.
"Ich werde jetzt gehen", flüsterte ich und wollte an ihm vorbeigehen, aber er legte plötzlich seine Hand auf meine Schulter.
"Wohin, Sotiria?"
Ich schluckte und zuckte bei seiner Berührung auf meiner nackten Schulter kaum merklich zusammen. Dann schob ich seine Hand weg. "Das geht dich nichts an. Wer bist du denn schon?"
"Der Einzige, der Tamerans Nummer hat", antwortete Raj, obwohl es eine rhetorische Frage gewesen war.
Wollte mich damit jetzt beeindrucken oder zum Bleiben überreden? Das hätte er wohl gerne! "Ich werde auch ohne diesen Tameran gut zurechtkommen auf dieser Welt!", fauchte ich ihn an und merkte, wie die Dämonin in mir zu rumoren begann. Mir war sofort klar, dass meine Augen wieder pechschwarz waren. Ich konnte alles viel deutlicher erkennen in meiner verwandelten Form. Meine Hände waren zu Klauen geworden und jegliche Angst in mir war verschwunden, aber Raj sah so gelassen aus, als würde er es jeden Tag mit Dämonen zu tun bekommen.
Es war schon merkwürdig, dass er nicht den Drang hatte, wegzulaufen.
Ich sah aus den Augenwinkeln, wie sich meine Füße auflösten. Sie hatten sich ohnehin viel zu schwer angefühlt. Wie hielten die Menschen es bloß aus, ihr ganzes Leben lang auf dem Boden bleiben zu müssen? Das Schweben hatte ich schon immer gemocht. So konnte ich mich schneller fortbewegen und höher kommen.
"Du bist wirklich niedlich", schmunzelte Raj und fuhr mit seiner linken Hand einmal durch meine Haare.
Oh Gott!
Ich hasste es, in dieser Gestalt berührt zu werden. Alles fühlte sich intensiver an. Erschrocken wich ich zurück und ließ mich wieder wie eine menschliche Frau aussehen.
Ich schüttelte kurz meinen Kopf und entfernte mich dann von ihm. Es fühlte sich überraschenderweise gut an, die dreckige Stube zu betreten. Raj blieb zum Glück in dem Zimmer und folgte mir nicht.
Tom sah mir bloß dabei zu, wie ich angewidert über die Pizzaschachteln und leeren Dosen stieg, um letztendlich aus der Wohnung zu gelangen.
Jetzt hatte ich die Möglichkeit, sowohl nach links, rechts oder geradeaus zu gehen. Ich entschied mich für links und als ich nach wenigen Minuten ein großes Treppenhaus erreichte, wurde mir klar, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Die vielen Stufen machten mir natürlich nichts aus, aber ich war trotzdem genervt, also raste ich nach unten.
Mich hatte kein Mensch dabei merkwürdig angesehen. Sie hatten mich überhaupt nicht angesehen. War ich zu schnell für ihre Augen gewesen oder wussten sie ebenfalls von Wesen wie mir Bescheid?
Ich schluckte laut und blieb abrupt vor dem Ausgang stehen. Dann öffnete ich die Tür und trat nach draußen. Es war sehr kühl, aber das hielt mich nicht davon ab, einfach loszugehen, um mich von diesem großen Gebäude zu entfernen. Der Himmel war grau und diese Gegend sah alles andere als schön aus. Die Straßen hier waren nicht so breit und die Menschen waren anders angezogen. Die meisten Frauen waren noch freizügiger angezogen als die, die ich in meiner ersten Nacht gesehen hatte. Sie trugen knalligen Lippenstift und waren so stark geschminkt, dass es nicht mehr gut aussah. Fanden sie sich ungeschminkt etwa hässlich? In Paisean waren alle Frauen schön. Das wurde mir mein ganzes Leben lang so eingeredet. Frauen waren immer schön. Ihre Gesichter waren nicht so wichtig, nur auf die Fülle ihrer Brüste und die Breite ihrer Hüften kam es an. Ich hatte schmale Hüften und war daher für die Männer nur halb so schön wie andere Frauen. Ich hatte mich damit abgefunden. Ich war hässlich, dumm und eine Verbrecherin, weil ich mich der Verbündung mit Kotiru verweigert hatte.
Und nun war ich hier – auf der Welt der Sterblichen. Ganz allein. Na ja, ich hatte Raj und Tom.
Nein! Raj war nicht besser als die Männer aus Paisean. Über Tom wusste ich nicht viel, aber leiden konnte ich ihn auch nicht. Diese beiden Männer würden nicht gut für mich sein. Sie waren ja nicht einmal in der Lage, ihr Heim
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