Dark Kiss
Dolch erfahren muss. Ich weiß, dass er mich sucht – auch in diesem Moment. Wenn er mich aufspürt, wird er mich töten, weil er glaubt, das Richtige zu tun. Aber das tut er nicht.“
Mein Mund wurde trocken. Ich wollte nicht, dass sie die Wahrheit über Bishop kannte, doch gleichzeitig sagte mir mein Bauchgefühl, dass Natalie nicht das böse Geschöpf war, das ich erwartet hatte. An dieser Geschichte war mehr dran, doch noch war alles zu verschwommen, als dass ich es entschlüsseln konnte. „Ich habe keinen Schimmer, was du von mir möchtest“, entgegnete ich schließlich. „Ich kenne die Antworten, nach denen du suchst, nicht.“ Jedenfalls keine, die ich mit ihr teilen wollte.
Sie bewegte sich von der Glaswand fort und kam wieder auf mich zu. „Du beschützt ihn.“
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich verstehe, weshalb dich Bishop verwirrt. Offen gestanden ist es gar nicht er, der mich interessiert, sondern mein Überleben. Aber das Einzige, was mich jetzt interessiert, bist du.“
„Aber warum bin ich so interessant für dich?“ Ich suchtein ihrem Gesicht nach Anzeichen, dass sie mich bloß täuschen wollte, konnte aber nichts feststellen.
Sie setzte sich wieder an den Tisch. „Hast du deine übernatürlichen Fähigkeiten entdeckt, seit Stephen dich geküsst hat?“
Ich hielt den Atem an. „Wie hast du davon erfahren?“
„Das macht einen Teil deiner Besonderheit aus. Du hast Talente – Talente, mit denen du geboren wurdest, doch du konntest sie bis jetzt nicht benutzen. Deine Seele hat dich von ihnen abgeriegelt wie ein Schloss an einer Truhe. Jetzt ist dieses Schloss fort, oder?“
Bevor ich geküsst wurde, war ich vollkommen normal. Aber jetzt war ich das plötzlich nicht mehr, und da waren nicht nur der Hunger und die Kälte, sondern auch alles andere. Kraven konnte nicht dahinterkommen, wieso ich das konnte – die Visionen, die Lichtsäulen sehen, die elektrischen Schläge, die Gedanken von Engeln und Dämonen lesen und Bishop seinen Verstand klären. War das alles miteinander verbunden? „Vielleicht“, sagte ich schließlich.
Natalie nickte, als sei sie mit der Antwort zufrieden – oder zumindest damit, dass ich nicht versuchte, es zu leugnen. „Ich brauche deine Hilfe, Samantha.“
„Wobei?“
„Im Moment hält eine Barriere mich und jedes andere übernatürliche Wesen davon ab, aus der Stadt fortzugehen. Wir sind wie hilflose Mäuse gefangen und warten darauf, dass uns die Katzen einfangen. Ich denke, das weißt du schon.“
Ich hatte die Theorie mit der Barriere noch nicht getestet, aber ich glaubte nicht, dass sie log. „Das ist eine große Stadt. Hier kann man eine Menge machen. Ich habe Trinity in meinem Leben kaum verlassen.“
„Trotzdem sind wir hier gefangen. Ich habe keine Ahnung, was dir Bishop über mich erzählt hat, aber er irrt sich. Er ist es, dem du nicht trauen solltest, Samantha. Er ist unserFeind – dein Feind. Allerdings braucht er dich. Er nutzt deine Fähigkeiten aus, oder nicht?“
Die Musik wechselt auf etwas mit einem stärkeren Bass-Sound, den ich durch meine Schuhsohlen spüren konnte. Ich war so auf das Gespräch mit Natalie konzentriert, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie sehr meine Füße zu schmerzen begonnen hatten. Mir gefiel es nicht, dass sie Bishop beschuldigte, mich zu benutzen, doch wieder konnte ich nicht behaupten, dass sie mir Lügen auftischte. Bishop benutzte mich tatsächlich. Er hatte es sogar zugegeben und sich darum auf den Deal eingelassen, meine Seele zurückzuholen, damit wir quitt wären. „Was soll ich also tun?“
„Es ist ganz einfach.“ Sie schaute mich eindringlich an. „Du musst mir diesen goldenen Dolch bringen.“
Mir sprang beinahe das Herz aus der Brust. „Wozu?“
„Er ist mächtig – magisch. Und er ist der Schlüssel dazu, aus dieser Stadt rauszukommen. Mit deinen neuen Fähigkeiten kannst du mich retten, du kannst uns alle retten, bevor er mich findet und tötet.“
Ich starrte sie an, schockiert darüber, was sie von mir verlangte. Bishops Dolch stehlen. Ihr Leben retten. Sonst würde sie sterben. Wir alle würden sterben. Bishop hatte gesagt, er wolle mit ihr reden. Nach allem, was ich gesehen hatte, glaubte ich jedoch nicht mehr ansatzweise, dass er es damit auf sich beruhen ließe.
„Denke über alles in Ruhe nach“, sagte Natalie. „Denke gut darüber nach. Es ist jetzt sehr wichtig, dass du die richtige Entscheidung triffst. Ich will dir nicht schaden, Samantha, sondern ich will nur,
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