Dark Love
ansehen konnte. Ich würde alles dafür tun. Wirklich alles. Ich würde sterben, um nur ein einziges mal seine dunkelblonden Haare, sein blasses Gesicht und wie er jeden Tag in seinem Anzug zur Arbeit ging zu sehen. Ich wollte mich in seinen hellblauen Augen vertiefen, die mich immer an den Himmel erinnert haben. Ich wollte wieder mit ihm nachts die Sterne zählen, wenn wir jedes Wochenende an einen See, dessen Namen ich bis jetzt nicht einmal wusste, gefahren sind, doch am meisten vermisste einfach nur seine Wärme - die Wärme, die nur ein Vater seiner Tochter geben könnte. Vielleicht war er jetzt sogar hier. Jedenfalls wäre es nicht undenkbar. Was, wenn ich ihn nur nicht sehen konnte? Was, wenn er als Engel auf dem großen dunklen Stein, der sich bloß zwei Meter neben mir befand, saß und mit mir gemeinsam gerade weinte? Allein die Vorstellung brachte mich zum Lächeln. Sehnsüchtig starrte ich auf die dunkle Erde und strich dann mit meinen Fingerspitzen darüber. Am liebsten hätte ich sie hineingebohrt, um ihm noch näher zu sein.
Papa... du fehlst mir. sprach ich weiter und schloss schluchzend meine Augen Ich werde dir niemals vergeben, dass du mich ganz alleine auf dieser Welt mit all den Verrückten gelassen hast. Niemand beschützt mich vor den bösen Menschen. Ich muss jeden Tag ganz alleine auf mich aufpassen, weißt du das? Ich habe mich nur noch nicht zu dir gesellt, weil ich das Versprechen aus meiner Kindheit nicht vergessen habe. Du erinnerst dich sicherlich auch noch daran, nicht wahr?
Es fühlte sich merkwürdig an, mit einem Toten zu reden, aber ich konnte nicht anders. Es gab so viel, dass ich herauslassen musste. Ich schüttete ihm einfach mein Herz aus. Meine Tränen tropften einzelnd hinunter und sanken in die Erde ein. ich hoffte, sie würden seinen Sarg erreichen und sich auf ihm verteilen, damit selbst seine Knochen spürten, dass ich da war.
Du darfst nicht einmal dein eigenes Leben aufgeben, wenn alles verloren zu sein scheint, Makayla. ahmte ich seine Worte von früher nach und ballte meine Hände, die nun doch in der Erde steckten, zu Fäusten. Nur deshalb lebe ich noch, Papa. Tief im Innern bin ich bereits an dem Tag gestorben, als ich erfahren habe, was dir zugestoßen ist. Mein Herz ist in tausend Teile zersprungen. Es kann nie wieder zusammengeflickt werden.
Ich hatte einen solch schmerzenden Kloß im Hals, dass ich einmal tief durchatmen musste, um nicht zu hyperventillieren. Ich war froh auf dem Boden zu sitzen, weil mir furchtbar schwindelig wurde. Für einen kurzen Augenblick drehte sich alles um mich herum, was ich jedoch ganz und gar nicht schlimm fand, denn somit war das einzige, das ich jetzt noch sehen konnte, dieses Grab, in dem die von mir über alles geliebte Person lag und wegen der Trauer zu ihm sich meine Lungen ganz kurz schmerzhaft fest zusammenzogen. Keuchend zog ich meine rechte Hand aus der Erde und legte sie mir auf die Brust, weil ich das Gefühl bekam, mein Herz würde jeden Augenblick stehenbleiben können. Es raste und raste und hörte nicht mehr auf.
Oh. sagte ich schnell und erhob mich langsam, wobei ich beinahe wieder hingefallen wäre. Es war wohl doch nicht so gut gewesen, die gesamte Trauer hervortreten zu lassen. Sie war einfach zu stark für meine schwache, menschliche Seele. So viele innerliche Schmerzen konnte ich also nicht ertragen. Ich musste mich ein wenig zurückhalten, aber wenigstens wusste mein Vater nun, wenn er tatsächlich hier war, wie viel er mir bedeutet hat und es immer noch tut. Ich schnappte ein paar mal nach Luft und versuchte langsamer zu atmen, ehe mich ein lautes Knacken von irgendwoher plötzlich erschrocken zusammenzucken ließ. Schlagartig drehte ich meinen Körper um ganze hundertachtzig Grad und starrte geradewegs in die Dunkelheit hinein. Mein Blick glitt zu dem großen Busch, der mir auf einmal wie eine Mauer vorkam, die mir das, was sich dahinter befand, nicht zeigen wollte.
Kopfschüttelnd wand ich mich wieder dem Grab zu und senkte meinen Kopf, doch gerade als ich weitersprechen wollte, da knackte es wieder von irgendwoher und dieses mal war ich mir sicher, dass es ein Ast gewesen ist. Es musste dann aber ein ziemlich schwerer Ast gewesen sein, wenn er von einem Baum gefallen wäre. Allerdings wuchsen auf diesem Friedhof nur ziemlich dünne Bäume mit kleinen Ästen, die alle eher wie angepflanzt aussahen, deshalb kam mir die Situation plötzlich merkwürdig vor. Mit zusammengekniffenen Augen stellte ich mich
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