Dark one 02 - Kein Vampir für eine Nacht-neu-ok-06.12.11
zum... Oh nein, träume ich jetzt auch schon tagsüber?“ Ich griff
nach der Karaffe mit Wasser, die ich mir immer neben das Bett stellte. Wasser
kann zwar nicht den schlechten Geschmack vertreiben, den Albträume in meinem
Mund hinterlassen, aber wie ich herausgefunden habe, trägt es maßgeblich dazu
bei, die Dauer meiner nächtlichen Torturen zu verkürzen.
Fetzen des Traums geisterten noch durch meinen Kopf, während ich unter
der Dusche stand, mir die Zähne putzte und eine schwarze Hose und eine weiße
Seidenbluse anzog. Ich betrachtete mich stirnrunzelnd im Spiegel und steckte
mein braunes Haar nach hinten. Dann legte ich gerade so viel Make-up auf, wie
nötig war, um mich in der Öffentlichkeit bewegen zu können, ohne kleine Kinder
oder ältere Herrschaften zu erschrecken. Ich hatte dunkle Ringe unter den Augen,
die fast wie Blutergüsse aussahen.
„Und das wird noch viel schlimmer, wenn ich jetzt auch noch anfange,
tagsüber zu träumen“, sagte ich zu meinem Spiegelbild, das angesichts dieser
Prognose nicht besonders glücklich zu sein schien. Wie sollte es auch! Der
Schlaf war ein kostbares Gut, und wenn mir nun auch noch verwehrt wurde,
tagsüber nachzuholen, was ich jede Nacht versäumte, dann sah ich innerhalb von
wenigen Tagen aus wie ein richtiger Zombie.
Ich räumte das Zimmer auf und machte in meiner Tasche Ordnung: Das
Diktiergerät brauchte neue Batterien, eine Weihwasserflasche hatte sich ihrer
schützenden Baumwollhülle entledigt und schlug gegen die Wärmebildkamera, und
das Messgerät für elektromagnetische Wellen war fast aus seinem Lederetui
gerutscht und drohte die Vorderseite des Ionenanalysators zu verkratzen. Ich
zog an den Gurten, mit denen die Bewegungsmelder an der Innenseite
festgeschnallt waren, vergewisserte mich, dass das Infrarot-Nachtsichtgerät in
Ordnung war, und tauschte den beschädigten Ultraschalldetektor gegen ein
neueres Fabrikat aus, das ich am Nachmittag gekauft hatte.
„Zu schade, dass der ganze Zauber anscheinend nichts bringt“, sagte
ich traurig zu der Tasche, doch die antwortete nicht. Ich setzte mich neben sie
auf den Boden und schaute auf die Uhr. Mir blieb immer noch eine Stunde Zeit,
bis ich losmusste.
„Carpe diem!“, murmelte ich und holte ein Stück Kreide aus der Tasche.
„Kann ja nicht schaden, es noch mal zu versuchen. Wozu sitze ich hier in einem
Hotelzimmer, in dem es angeblich spukt, wenn ich den Geist nicht zu sehen
bekomme?“
Während ich alle Gedanken aus meinem Kopf verbannte und eine geöffnete
Tür bemerkte, zeichnete ich mit der Kreide einen Kreis auf den Boden. Wenn ich
den Geist beschworen hatte, blieb er so lange in dem Kreis gefangen, bis ich
ihn entweder auf die nächste Existenzebene schickte oder im Hier und Jetzt
verankerte.
Theoretisch jedenfalls. Es war mir noch nie gelungen, einen echten
Geist zu beschwören, obwohl ich in einer Villa an der Küste von Oregon, in der
angeblich der Geist eines reichen Holzhändlers herumspukte, immerhin schon
einmal einen kalten Wind zu spüren bekommen hatte. Aber wie Anton mir natürlich
gleich unter die Nase gerieben hatte, machte ein Luftzug noch keinen Geist, und
ich war mehr als verzweifelt. Mein Job stand auf dem Spiel, und obwohl ich
wusste, dass es in England von Geistern wimmelte, hatten sie sich bisher von
mir ferngehalten.
Etwas lustlos intonierte ich die Worte, die man üblicherweise zur
Beschwörung von Geistern verwendete.
„Es wird sowieso nicht funktionieren“, sagte ich zu meinen Zehen, als
ich mit der Formel fertig war. „Es hat ja noch nie Funktioniert! Ich werde wohl
nach Hause fahren müssen, ohne einen einzigen Geist beschworen zu haben, und
das wird das Ende meiner kurzen und alles andere als großen Karriere als
Beschwörerin sein. Blöde englische Geister! Einer Besucherin von außerhalb
könnten sie doch wenigstens den Gefallen tun, mal kurz aufzutauchen!“
Ich nahm das Fläschchen Totmann-Asche zur Hand, das ich
sicherheitshalber mitgenommen hatte. Denjenigen, die sich mit Beschwörungen
nicht auskennen, sei an dieser Stelle erklärt, dass Totmann-Asche durch
Verbrennen von Ästen und Zweigen hergestellt wird, die auf ein Grab gefallen
sind. Es ist gar keine echte Totenasche, aber mir gefällt der bildliche Name
sehr. Eine Hexe hatte mir einmal erzählt, dass sie sehr erfolgreich mit
Totmann-Asche arbeitete, und so öffnete ich das Fläschchen und schüttete etwas
von der grauen Asche in meine Hand, die ich dann über den Kreis hielt. Ich
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