Dark Room
Lorina nicht mit ihr sprach.
»Nun ja«, sagte die Grinsekatze und setzte sich auf Lorinas Bett. »Deine Einäscherung wäre ein wesentlich schönerer Anlass gewesen. Dich im Höllenfeuer brennen zu sehen, würde mir gefallen.«
Lorina lachte, zog sich die Sauerstoffmaske über, hustete aber so, dass sie nur noch ein keuchendes Bellen zustande brachte.
»Hast mir ja mein Vögelein auch heimgeführet«, rezitierte sie und nahm Fionas Hand, die wie erstarrt war und nicht wusste, was gerade geschah. »Sieh an, was die Katze gebracht hat. Ist es ein Geschenk? Wie eine tote Maus auf der Terrasse?«
Gemma ergriff mit einer Heftigkeit, die Fiona zusammenzucken ließ, ihre Hand und riss sie aus Lorinas. Mit schmalen Augen sah sie die alte Frau an.
»Möglicherweise rufen wir gleich die Polizei«, sagte sie, »aber erst wirst du Fiona erzählen, wer du bist – oder besser, was du bist. Ich wüsste es selbst übrigens auch gern. Mir ist nie wieder jemand so Ekelhaftes und Widerwärtiges begegnet wie du. In meinem ganzen Leben nicht.«
»Ach Kätzchen«, Lorina winkte ab, fast als würde sie sich langweilen, und versuchte, sich auf den Kissen etwas höher zu setzen. »Du musstest immer schon alles dramatisieren. Kein Wunder, dass aus dir eine Hure geworden ist. Das liegt dir im Blut. Sieh dich doch mal an, dein Kostüm, du mit deinem Popo-Fenster, ein unwürdiges Schauspiel, alles für ’n Arsch, alles Theater. Und aus der Kleinen hast du einen schwarzen Unglücksraben gemacht.«
Gemma nahm ihr die Sauerstoffmaske ab und ließ sie neben dem Bett zu Boden fallen. Lorinas Atem ging rasselnd und stöhnend.
»An Fionas Unglück bist ganz allein du schuld und nicht das, was sie trägt.«
Die Krankenschwester kam aus der Küche, drängelte sich an Püppi vorbei und brachte Lorina das Telefon in einer stählernen Spuckschale. Durch Fionas Kopf schoss kurz der Gedanke, wieso sie es nicht einfach in der Hand hielt, aber dann war er schon wieder weg.
»Falls Sie jemanden anrufen möchten«, sagte sie und streckte Lorina die Schale hin. Gemma griff danach und zeigte auf die Küche. Achselzuckend ließ die Schwester sie wieder allein. Diesmal stellte sich Püppi mit verschränkten Armen vor die geschlossene Tür.
»Dann fang ich mal an«, sagte Gemma. »Du hast Evi ermordet, ja ja, ich weiß« – sie bedeutete Lorina zu schweigen, als die sie unterbrechen wollte –, »es war ein Unfall, eine versehentliche Überdosis Belladonna. Das hat Fiona mir erzählt, und das mag glauben, wer will. Aber als sie tot war, hast du ihr Gesicht verunstaltet. Sie war fast eine Tochter für dich, du hast dich um sie gekümmert. Wie kann man jemandem so etwas antun? Kreuze auf Augen und Mund? Wie abartig bist du eigentlich?«
Lorina schloss die Augen, und die faltige Grimasse, die einmal ihr Gesicht gewesen war, verzog sich zu einem breiten Lächeln. »Ich wusste, dass du die Botschaft verstehen würdest.«
Fiona konnte sich nicht beherrschen, aus ihrem Mund kam ein Geräusch, das halb ein Schrei und halb ein Gurgeln war.
»Kotz ruhig«, sagte Gemma trocken, »jeder würde das verstehen.« Püppi trat hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern. Fiona lehnte sich leichenblass an ihn, und die Tränen rannen ihr übers Gesicht.
»Ich habe Beweise für das, was du getan hast«, sagte Gemma und zeigte auf das Cupcake-Täschchen, das Lorina auch im Bett bei sich hatte. Bevor die alte Frau sich bewegen konnte, nahm Gemma es an sich. Sie nestelte eine Kette hervor, an der ein kleiner Schlüssel hing, und schloss die Tasche auf. »Ich habe die DNA vergleichen lassen. Die Nadel, Evis Haar und einen Lippenstiftkuss von deinem letzten Brief an mich. Das ist lückenlos.«
Lorina lächelte wieder, Fiona musste daran denken, dass ihre Lippen kaum noch vorhanden waren und wie sie früher ihre Hände geküsst hatte, wenn sie »Heile, heile Gänschen« mit ihr gespielt hatte, schmatzige, feuchte Tantenküsse, die einzigen, die es im Heim gab.
Die alte Frau krächzte: »Du hebst meine Briefe auf?«
Gemma wandte sich jetzt direkt an Fiona. »Lorina hat nicht nur Evi auf dem Gewissen, sondern auch deine Eltern. Ich habe dir erzählt, dass es diesen Zirkel gibt, der foltert und tötet und seine Opfer versteigert. Die Mitglieder haben alle Nicknames, aber die Fäden zieht die Herzdame.« Sie nickte in Lorinas Richtung. »Sie sucht die Opfer aus, und sie betäubt sie. Sie hatte deine Eltern zur Auktion ausgeschrieben, Eule. Als Püppi mir erzählte,
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