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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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I
    Von den frierenden Menschen, die an diesem kalten, nebeligen Novembertag in Wien hastig ihren Besorgungen nachgingen, ahnte keiner, dass der unscheinbare Mann, dessen Weg sie kreuzten, ein Mörder war. Nicht der Kaffeehausober, der ihm in aller Frühe einen schwarzen Kaffee servierte. Nicht der jüdische Juwelier in der Leopoldstadt, der ihm seine Bestellung aushändigte. Nicht die Apothekersfrau, die ihm ein braunes Fläschchen über die Ladentheke reichte, und auch nicht der Schaffner der elektrischen Straßenbahn, der ihn in der Mariahilfer Straße aussteigen ließ. Aber wie sollten sie es auch ahnen? Er war so gewöhnlich, dass kein Wiener ihn überhaupt hätte beschreiben können. Er verschwand wie ein einzelnes Wesen in einem Heringsschwarm, und selbst die Apothekersfrau, die ihm zulächelte, als sie ihm das Ätherfläschchen in eine braune Papiertüte gepackt hatte, vergaß sein Gesicht, sobald der Mann aus dem Laden verschwunden war.
    Der jüdische Juwelier wäre der Einzige, der sich an ihn erinnern würde. Aber nicht wegen dessen Aussehen, sondern wegen dem, was der Mann bei ihm bestellt hatte. Es war wirklich etwas ganz Besonderes, und Efraim Efrussi hatte in seinem ganzen Leben als Juwelier wahrscheinlich niemals etwas derart Außergewöhnliches hergestellt. Er fand, dass ihm das Schmuckstück bemerkenswert gut gelungen war, und er hatte es seinem Kunden mit einem gewissen Bedauern ausgehändigt.
    Der Mann wusste, dass der Juwelier die Schwachstelle in seiner Tarnung war. Irgendjemand würde das Schmuckstück zurückverfolgen und vielleicht, wenn das Schicksal ihm übel mitspielen sollte, denjenigen finden, der es angefertigt hatte. Doch es war mehr als unwahrscheinlich, dass die Wiener Polizei jeden gottverdammten Juwelierladen durchforsten würde. Dazu gab es einfach zu viele. Und zu viele in der Leopoldstadt, wo die jüdischen Goldschmiede hinter ihren staubigen Schaufenstern ausharrten wie schlafende Sphinxe.
    Der Mann empfand keinerlei Bedauern, als er die zarte, perfekt gearbeitete Silberkrone aus der Schachtel nahm. Er befühlte die matten Perlen auf den zierlichen Zacken. Er nahm sein verschwommenes Spiegelbild in der schimmernden Rundung wahr und lächelte. Er liebte es, ein Stück gute Arbeit in Händen zu halten. Und Efrussi hatte wahrhaft meisterlich gearbeitet. Er atmete tief und lange ein, hob die Krone hoch und setzte sie der Frau auf das Haupt. Ein wohliger Schauder durchfuhr ihn, als er ihr das filigrane Kunstwerk auf das Haar drückte und ihr ein paar lose Strähnen hinter die Ohren strich. An ihrem Ohrläppchen baumelte eine einzelne Perle, die er ebenfalls im Laden von Efrussi erstanden hatte. Die Frau wehrte sich schwach. Doch der Äther hatte seine Wirkung getan. Sie war bei Bewusstsein und hatte noch ein gewisses Maß an Körperspannung, was ihm sehr entgegenkam. Das Gift hatte sie jedoch so weit gelähmt, dass der Mann sie mühelos in die von ihm bevorzugte Haltung bringen konnte.
    Er trat zurück und bewunderte sein Werk.
    Die Frau saß auf einem Lehnstuhl, auf den er zuvor ein rotes samtenes Tuch gebreitet hatte. Ihre nackten Brüste waren ein wenig zu groß für seinen Geschmack. Sie hätten kleiner sein müssen, mädchenhafter und weniger hängend. Aber er durfte nicht allzu wählerisch sein. Das Alter stimmte, die Figur, selbst ihre Haarfarbe war perfekt. Er freute sich besonders über ihren leichten Bauchansatz. Darunter hatte er ein weißes Tuch drapiert, an dessen Faltenlegung er eine halbe Stunde hatte arbeiten müssen, bis es perfekt lag. Lange betrachtete er sein Werk, während die Frau leise stöhnend den Kopf hin und her schaukeln ließ und versuchte, sich aus der Betäubung zu lösen. Der Mann tupfte noch etwas Äther auf einen Lappen und presste ihn der Frau auf die Nase. Ihr Kopf sank auf die rechte Schulter, und danach bewegte sie sich nicht mehr. Jetzt konnte er damit beginnen, ihre Arme richtig anzuwinkeln. Den linken Unterarm legte er auf die Armlehne des Stuhls, den rechten Unterarm ließ er locker über die Seite der anderen Lehne hängen. Er zupfte noch ein wenig an den Tüchern herum und begutachtete sein Werk.
    Dann ließ er die Schlange frei.
    Er nahm sie aus der Pappschachtel mit den Luftlöchern, in der sie auf ihre Bestimmung wartete. Die Beschaffung der Schlange war so verblüffend einfach gewesen! Ein Schlag mit einem kurzen Holzknüppel gegen das dünne Glas des Terrariums in der Menagerie von Schönbrunn. Dann hatte er die kleine Viper aus dem

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