Dark Secrets (Gesamtausgabe)
Abendessen. Wortlos führte er sie eine Treppe hinunter in ein Esszimmer, dessen Front verglast war und den Blick auf einen dunklen See freigab.
„Oh, das ist sehr schön“, sagte sie und betrachtete die schweigende, dunkle Wasseroberfläche. Weit und breit war kein zweites Haus zu sehen. Sie waren absolut allein.
Nicolai lächelte, schien sich über ihr spontanes Kompliment zu freuen und zog ihr einen Stuhl zurück. Sie setzte sich und verschränkte die Hände auf dem Tisch.
Diesmal war er es, der in die Küche verschwand und kurze Zeit später mit zwei Suppentellern wieder zurückkam. Neugierig linste Amanda in ihren Teller, hörte das grimmige Knurren ihres Magens. Eine rote, herrlich duftende Suppe stand vor ihr.
„Das ist Borschtsch“, beantwortete Nicolai ihre ungestellte Frage und gab ein Achselzucken von sich. „Das ist das einzige, was ich kochen kann.“
Verwundert sah Amanda auf. „Du hast selbst gekocht?“
„Ja, natürlich.“
Sie nahm einen Löffel der Suppe, die eher ein Eintopf war. Würzig und mit groben Stückchen von roter Bete schmeckte sie einfach herrlich.
„Was ist denn mit Natascha?“, fragte sie spöttisch.
Nicolai sah sie mit einem herausfordernden Glitzern in seinen grünen Augen an.
„Natascha arbeitet nicht mehr für mich.“
„Ach!“ Amanda nahm noch einen Löffel Eintopf. „Wie kommt das denn?“
Er legte den Löffel weg und sah sie an. „Es ist wie mit dem Autofahren. Wenn du erst einmal in einem Bentley gesessen hast, willst du keinen Lada mehr. Verstehst du, was ich meine, Doc?“
Unweigerlich musste sie lächeln, versuchte sich dennoch an einem Achselzucken. „Tut mir leid, ich kenne mich mit Autos nicht besonders gut aus.“
„Ich helfe dir da gerne ein bisschen weiter, wenn du möchtest.“
Sein schelmischer Gesichtsausdruck löste eine innige Freude in Amanda aus. Im Geiste ohrfeigte sie sich dafür. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du gar nicht von Autos redest.“
Er gab ein abwägendes Geräusch von sich. „Wenn du über etwas anderes sprechen möchtest, musst du mir sagen, worüber?“
Zusammen mit Amandas amüsierter Miene, war plötzlich auch die lockere Stimmung im Raum verschwunden.
„Das war Dimitrij, nicht wahr?“, stellte sie unvermittelt fest.
Nie würde sie vergessen, wie Nicolai in seinem Alptraum seinen Namen immer und immer wieder gerufen hatte, voller Hass und Verzweiflung.
Sein Blick verdunkelte sich.
„Ja, das ist Dimitrij.“
Sie wartete ab. Als er nichts weiter sagte, wurde sie wütend.
„Muss ich dir denn jedes Wort aus der Nase ziehen? Sag mir endlich, was hier los ist!“
Er fixierte sie grimmig. „Ich bin es nicht gewohnt, dass man mir sagt, was ich tun soll.“
Die Drohung in seinen Worten war nicht zu überhören, ließ Amanda aber kalt.
„Und ich bin es – verdammt nochmal – nicht gewohnt, entführt zu werden!“
Für Sekunden schwiegen sie sich an, maßen einander mit Blicken, bis Nicolai schließlich nachgab.
„Touché!“, sagte er und wirkte nur mäßig zufrieden, nahm noch einen Löffel Borschtsch, bevor er zu einer Erklärung anhob. „Dimitrij hat mich bei der Polizei angeschwärzt. Angeblich wegen Geldwäsche.“
„Zu Recht?“ Amandas Teller war fast leer.
„Nein.“ Er lachte freudlos. „Doc, ich verdiene etwa eine viertel Million in der Stunde. Ich habe mehr Geld, als ich je werde ausgeben können. Ich hinterziehe und ich wasche kein Geld. Damit mache ich mir einige Feinde hier. Zusammen mit der Anzeige bin ich praktisch vogelfrei. Dimitrij nimmt die vier Anlagen zum Anlass, die ich gekauft habe, und die nach konventionellen Maßstäben keine Gewinne mehr erwirtschaften können. Auch wenn sich die Vorwürfe nicht erhärten und beweisen lassen, wenn es nie auch nur ansatzweise zu einer Anklage kommt, könnte er mich erschießen, und käme momentan sicherlich mit einer kleinen Geldstrafe davon. Wenn überhaupt. In diesem Land mahlen die Mühlen anders. Leider.“ Er nahm noch einen Löffel, während ihn Amanda erwartend anstarrte, bis er endlich fortfuhr. „Solange ich gesucht werde, muss ich unsichtbar bleiben. Das ist für gewöhnlich kein Problem, denn ich weiß, wie das geht.“
Amanda rief sich seine Vergangenheit beim Geheimdienst ins Gedächtnis und nickte.
„Das Problem besteht also nicht darin, dass
ich
unsichtbar bleibe. Sondern dass auch
du
unsichtbar bleibst.“
„
Ich
?“
„Ja. Denn er hat es so gedreht, dass du mit in die Sache verwickelt bist. Interpol
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