Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
würde er sie zu gern bei sich haben wollen.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Evan ernst. »Du sagst immer wieder ›würde‹.«
»Er weiß nicht, dass er der Vater ist.« Ich seufzte. »Wenn ich es ihm sage … es wäre der glücklichste Tag seines Lebens. Wenn nicht, dann wäre ich die Einzige, die darunter leidet, von ihnen getrennt zu sein. Er würde in seliger Unwissenheit leben.«
Evan schüttelte den Kopf. »Das sind hässliche Alternativen.«
Ich starrte auf das dunkle Fenster, ohne es wirklich zu sehen. »Dass er es nicht weiß, nimmt gerade aus vielen Problemen den Druck raus – bloß dass es zwischen uns immer vor allem darum gegangen ist, wie wichtig Ehrlichkeit ist und wie wir das Vertrauen wiederherstellen. Vor allem mir ist das total wichtig. Wie scheinheilig wäre es da von mir, das einzufordern und ihm dann so etwas nicht zu sagen?«
Ein paar Sekunden lang sagte Evan nichts. »Dann … kommt ihr gerade wieder zusammen.«
Ich sah zu ihm nach oben und begriff erst jetzt, was meine Worte bedeuteten. Evan hatte immer noch diese Alles-ist-gut-Miene aufgesetzt, aber ich sah eine Spur Enttäuschung in seinen Augen. Es hatte zwischen uns keine Versprechungen gegeben, aber er hatte sich bei meiner Rückkehr immer noch Hoffnungen gemacht.
»Evan, ich – «
Er hielt eine Hand hoch und lächelte mich freundlich an. »Mach dir deswegen keinen Kopf. Es ist das, was du möchtest, und ich freue mich für dich. Es wird sich nicht auf das auswirken, was ich für diese Kinder tue.«
Ich wollte mich immer noch entschuldigen, respektierte seinen Wunsch aber und verkniff es mir. Immer wieder zu sagen, wie leid es mir tue, und mich entschuldigen … tja, davon würde es ihm auch nicht besser gehen. Davon würde es nur mir besser gehen. Er musste das in seinem eigenen Tempo verarbeiten.
»Wie lange würdest du sie ihm denn vorenthalten?«, wandte sich Evan wieder meiner Zwickmühle zu.
»Ich weiß nicht. Jahrelang. Vielleicht, bis sie Teenager sind.« Ich ächzte. »Gott, es klingt ja schon grässlich, das nur zu sagen. Was für ein Mensch kommt überhaupt nur auf so eine Idee?«
»Jemand, der seine Kinder liebt«, sagte er geradeheraus.
»Wird er mir das je verzeihen, wenn er es erfährt?«, fragte ich düster. »Würdest du das? Du würdest dich doch auch nicht freuen, wenn du erfährst, dass dir deine Freundin so etwas seit Jahren verheimlicht hat.«
»Nein. Ich wäre ganz schön sauer. Aber ich wäre auch heilfroh, zu erfahren, dass meine Kinder gesund und munter und sicher sind.«
Ich stand auf und ging zu den Wiegen. »Wäre das genug? Würde es die Lüge ausgleichen?«
Er dachte nach. »Das weiß ich nicht.«
Ich sah zwischen den beiden schlafenden Umrissen hin und her, und da ging das mit den Tränen los. Ich weinte nicht oft. Als Pagiel gestorben war und selbst in den hormonelleren Momenten der Schwangerschaft waren kaum Tränen geflossen. Nun schüttelten sie mich richtig, als der ganze Schmerz, den ich so lange für mich behalten hatte, herausbrach. Ich weinte um Dorian, um das Geheimnis, das ich vor ihm bewahren musste. Ich weinte um Isaac und Ivy, die einen großen Teil ihres Lebens verbringen würden, ohne die Wahrheit über ihre Eltern zu wissen. Und ich weinte um mich, weil mich jeder Tag, den ich von meinen Kindern getrennt war, schmerzen würde.
Evan nahm mich in die Arme und ließ mich an seiner Brust weinen. Er sagte mir nicht, dass schon alles gut werden würde, und dafür war ich dankbar.
»Ich will sie nicht verlassen«, schluchzte ich.
»Ich weiß«, sagte er.
Ich schniefte. »Eine so schwere Entscheidung habe ich noch nie treffen müssen … und glaub mir, ich hab schon ein paar ziemlich heftige hinter mir.«
Evan nickte. »Das liegt daran, dass sie sich bis jetzt immer bloß um dich selbst gedreht haben. Alles ändert sich, wenn man das Leben von jemand anderem in der Hand hat.«
Kapitel 29
Meine Königreiche freuten sich über meine Rückkehr, sowohl die Lande an sich als auch die Leute. Überall herrschte gute Stimmung. Der Großteil der Zerstörungen war beseitigt, und dank der Zunahme an eigenen Ernten und an Importen aus den nicht betroffenen Königreichen waren weniger strenge Rationierungen erforderlich. In der Anderswelt wurde die Beziehung zwischen Monarch und Land als heiliges Band angesehen. In vielerlei Hinsicht betrachteten die Leute ihren Monarchen als Erweiterung des Landes – was vielleicht gar nicht so abwegig war. Es bedeutete jedenfalls, dass ein
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