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Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Titel: Dark Village - Niemand ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjetil Johnsen
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Sonne. „Tja“, sagte er. „Es ist nur … ich weiß vielleicht, wer es war.“

5
    Vilde saß zusammengesunken auf dem Stuhl. Sie spielte mit einer dicken Haarsträhne, die von der Stirn bis über die Lippe reichte. Die Schatten der Abendsonne wurden länger und betonten ihre hohen Wangenknochen. Sie trug ein ärmelloses Top und zeigte ihre langen, gebräunten Arme. Sie sah aus wie eine Indianerin.
    Sie guckte Nora an. „Was hast du ihnen gesagt?“
    „Tja“, Nora zuckte die Achseln, „im Grunde das, wonach sie gefragt haben.“
    „Hast du irgendwas über mich gesagt?“
    „Über dich?“
    „Ja, du weißt schon, über Trine und mich.“
    „Nein, hab ich nicht. Sie haben auch nicht danach gefragt. Hast du?“
    „Bist du irre?“
    „Na also.“
    „Und zu deiner Mutter? Hast du deiner Mutter was davon gesagt?“
    „Jetzt krieg dich mal ein, ich hab mit niemandem darüber gesprochen.“
    Sie waren bei Nora, es war sieben Uhr. Ihre Mutter war wieder zur Arbeit gegangen. Es war immer noch warm draußen und sie hatten sich auf die Terrasse gesetzt. Noras Bruder war beim Training, aber trotzdem sprachen sie nur leise miteinander. Niemand konnte wissen, wie viel hinter der Hecke zu hören war. Und was sie zu besprechen hatten, ging die Nachbarn nichts an.
    Nora schaltete das Radio im Wohnzimmer ein. Sie spielten den Sommerhit: One day baby we’ll be old, oh baby we’ll be old, think of all the stories that we could have told …
    Nora war fix und fertig, sie war es leid, traurig zu sein, aber der Song trieb ihr wieder die Tränen in die Augen.
    Die Welt fühlte sich so verletzlich an, als würde sie jeden Moment auseinanderfallen.
    „Das alles hier“, murmelte sie vor sich hin, „bricht mir noch das Herz.“
    Vilde verdrehte die Augen. „Halloooo?“
    „Was?“, fragte Nora.
    „Echt jetzt!“ Vilde schnitt eine Grimasse. „Manchmal bist du so was von theatralisch.“
    „Theatralisch?“ Nora sah sie an. „Findest du mich verlogen? Meinst du das?“
    Vilde erwiderte den Blick. „Nein, Nora. Das meine ich nicht. Ich meine theatralisch. Du trägst zu dick auf.“
    Das Lied war zu Ende. Es wurde still und Nora empfand das Schweigen als schwer. Ekelhaft.
    „So spricht doch niemand“, sagte Vilde schließlich. „ Das bricht mir noch das Herz !“
    „Doch“, sagte Nora.
    „Scheiß drauf “, sagte Vilde. „Das hier ist kein Roman. Und kein Film.“
    „Ich rede, wie ich will, okay?“
    „Ja, ja, schon gut“, beschwichtigte Vilde sie. „Und hast du das aus einer von diesen Julia-Roberts-Schmonzetten, die mitten in der Nacht im Dritten laufen?“
    „Ich meinte nur …“, begann Nora, aber dann schwieg sie, denn sie konnte nicht genau sagen, was sie gedacht hatte. Es hatte sich einfach richtig angefühlt.
    „Nora“, sagte Vilde. „Es gibt keine Pretty Woman. Sie war eine Nutte, ja, und er war ihr Freier. Das muss man sich mal vorstellen – sie haben eine romantische Komödie über eine Hure und ihren Kunden gedreht. Das sollte dir echt zu denken geben.“
    „Nur weil ich einen Film mag, heißt das noch lange nicht, dass …“
    Vilde fuhr ihr über den Mund. „Manchmal bist du total hollywoodgeschädigt! Komm mal wieder runter. Schneewittchen und Aschenbrödel gibt es nicht. Vergiss: Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. So läuft es nicht. Nicht im echten Leben.“
    Nora schüttelte den Kopf. „Das habe ich auch nicht gesagt.“
    „Ohhhh, mein Herz“, säuselte Vilde.
    „Hör auf “, sagte Nora.
    „Mein Herz, mein Herz!“
    „Ach, und was ist mit dir? Dir geht’s total gut, oder wie? Alles easy , was, ah, ja, dein Leben ist ja sooo toll.“
    „Mich hat noch keiner kleingekriegt.“ Vilde hob den Kopf. Ihr Hals spannte sich und ihre Lippen wurden schmal. „Und mich wird auch in Zukunft keiner kleinkriegen.“
    „Warum bist du denn dann so wütend?“
    „Wütend?“
    „Ja, wütend. Die ganze Zeit bist du auf alles und jeden wütend. Denkst du vielleicht, ich hätte es getan? Oder Benedicte? Meinst du etwa, die ganzen anderen Leute um dich rum, auf die du so sauer bist, hätten es getan? Glaubst du etwa, einer von uns hätte die Schuld an dem, was mit Trine passiert ist?“
    „So einen Scheiß hör ich mir nicht an“, sagte Vilde, aber sie rührte sich nicht.
    „Warum bist du dann so sauer auf mich?“, fragte Nora.
    „Ich bin nicht sauer auf dich.“
    „Doch. Du bist die ganze Zeit sauer. Auf mich. Auf jeden.“
    „Bin ich nicht.“
    „Doch, bist du

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