Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
Coryn sah sie erst an diesem Abend wieder, denn Eddard schickte ihn fort, damit er auf der Suche nach brennenden Scheiten, die sich im Erdreich eingegraben hatten, die Ränder der früheren Feuersbrunst abritt. Das Abendessen war zwanglos, wie gewöhnlich an Werktagen; es gab heiße Fleischpasteten, strengen Chervine-Milchkäse und getrocknete Obstriegel, Nussbrot und Schüsseln mit Hafergrütze und pikanter Soße, die in der Küche bereitstanden. Dort begegnete Coryn auch den beiden jüngeren Mädchen und Petro, die miteinander schwatzten.
»Es war, als ob man… « Margarida hob die Hände in einer schwingenden Geste. »… als ob man auf einer Wolke tanzt.«
»Du meinst, er hat dich eingeschläfert?«, sagte Petro mit finsterer Miene. »Was ist daran so großartig?«
»Du bist ja nur eifersüchtig, weil du nicht auch an die Reihe kommst«, sagte Coryn.
»Bin ich nicht«, sagte Petro. »Ich will gar nicht, dass ein alter Zauberer in meinem Geist herumstöbert. Wer weiß, was er tut, wenn er drin ist? Er könnte deine Gedanken lesen… all deine hässlichen kleinen Geheimnisse. Wie würde es dir gefallen, wenn alle wüssten, wie du damals Tessas Haarbürste angezündet und dann in die Latrine geworfen hast?«
Coryn schlug Petro auf die Schulter, während Kristlin kicherte.
»Also das ist damit passiert. Tessa war für einen Zehntag wütend wie Durramans Esel, weil sie dachte, sie hätte die Bürste verloren.«
Bevor Kristlin fragen konnte, wie Coryn die Bürste in Brand gesetzt hatte, sagte Margarida. »Was Dom Rumail tat, war recht angenehm. Irgendwie traumhaft.«
»Also, mir hat’s nicht gefallen«, erwiderte Kristlin und schob die Unterlippe vor. Kritisch zog sie die Brauen zusammen. »Es fühlte sich an wie… ich weiß nicht, wie eine Schlange klingt, wenn sie über verdorrtes Laub kriecht.«
»Du? Was weißt du schon?« Coryn grinste. »Du hast ja noch nicht einmal einen Sternenstein. Du bist bloß ein kleines Mädchen, das in einer Jungenhose herumläuft - wem hat sie eigentlich gehört? Bruder Domenic?«, spottete er, unfähig der Versuchung zu widerstehen.
»Was geht es dich an, solange sie nicht dir gehört?«, entgegnete sie und entwand sich ihm, als er die Arme ausstreckte, um sie zu kitzeln.
Einer der Hausdiener kam herein und erklärte, wenn Master Coryn fertig gegessen habe, möge er doch bitte Dom Rumail aufsuchen. Mit vor Aufregung flauem Gefühl im Magen begab Coryn sich in den Wäscheraum. Die Luft roch schwach nach Zeder und Goldgras, die man verwendete, damit die Tücher gut rochen und um die Motten fern zu halten. Eine Hand voll Kerzen erfüllte den kleinen Raum mit sanftem Schein. Rumail saß auf einem Hocker, die Hände locker im Schoß gefaltet. Auf einem niedrigen Tisch lagen zusammengefaltete Decken und bildeten ein Kopfkissen.
»Soll ich mich hinlegen?«, fragte Coryn.
»Noch nicht, junger Herr. Ich habe ein paar Fragen an dich. Ich habe deine Abstammung schon studiert, darauf brauchen wir also nicht einzugehen. Wie lange hast du schon Anfälle von Benommenheit und Orientierungslosigkeit? Bereitet die Übelkeit dir Essprobleme? Hattest du visuelle Störungen, bei denen Dinge nicht die richtige Form oder Farbe hatten oder nicht stillhalten wollten?«
»Ich habe keine… « Coryn biss sich auf die Lippe. Er hatte geglaubt, seine Schwäche gut verborgen zu haben. Eddard hatte während der Feuersbrunst nichts bemerkt oder es jedenfalls nicht der Rede wert gefunden. »Das ist die Aufregung, mehr nicht. Es hat nichts mit, na ja, irgendwas anderem zu tun.« Aber das klang selbst in seinen Ohren wenig überzeugend.
»Es hat sehr viel mit dem Erwachen des Laran zu tun.« Nun klang in Dom Rumails Stimme eine eisige Strenge durch. Coryn spürte düster, dass etwas Mächtiges von dem Laranzu ausging.
»Und es ist nichts, wofür man sich schämen müsste oder das man leicht nehmen dürfte. Es sind die Symptome der Schwellenkrankheit, die sich oft einstellt, wenn in der Pubertät die Laran-Kräfte erwachen. Je stärker die Beschwerden, desto mächtiger ist das Laran.«
»Ssoll das heißen, ich habe es?«, platzte Coryn heraus. Die Ungeduld ließ seine Nerven beben. »Laran?«
»Durchaus möglich, Chiyu. Das wollen wir hier herausfinden. Sag, was geschieht, wenn du in deinen Sternenstein schaust? Hol ihn heraus und zeig es mir.«
Coryn packte den Stein aus, und sein Blick richtete sich auf das wabernde blaue Licht in der Mitte. Er hatte das eigenartige Gefühl hineinzufallen, tiefer
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