Darkover 12 - Der verbotene Turm
gewesen. Seine terranische Geburt war nur Damon und Dom Esteban, Callista und Ellemir bekannt. Die anderen hielten ihn einfach für einen Fremden aus dem Tiefland jenseits von Thendara. So unglaublich es war, er hatte hier eine zweite Heimat gefunden. Die Sonne war riesig und blutig rot, die vier Monde, die nachts über den merkwürdig violetten Himmel zogen, hatten ungewohnte Farben und trugen Namen, die er noch nicht kannte, aber trotz allem war das hier sein Zuhause geworden...
Zuhause.
Und doch gab es Augenblicke wie diesen, Augenblicke, da er sich grausam isoliert fühlte, da er erkannte, nur Callistas Anwesenheit machte Armida zu einem Zuhause für ihn. Unter dem mittäglichen Glitzern des Gewächshauses überkam ihn diese Stimmung von neuem. Wonach sehnte er sich? Es gab nichts in der Welt, das man ihn gelehrt hätte, sein Eigen zu nennen, nichts in der trockenen und öden Welt des Terranischen Hauptquartiers, und er verlangte auch nach nichts. Aber konnte er hier Wurzeln schlagen, oder würde Leonie Callista wieder in die fremdartige Welt der Türme entführen?
Nach langer Zeit wurde ihm bewusst, dass Damon hinter ihm stand. Damon berührte ihn nicht – Andrew hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass das unter Telepathen nicht der Brauch war –, aber er war ihm nahe genug, dass er die Anwesenheit des älteren Mannes als Trost empfand.
»Mach dir darüber keine Sorgen, Andrew. Leonie ist kein Menschenfresser. Sie liebt Callista. Die Bande eines Turmkreises sind die stärksten, die wir kennen. Sie wird wissen, was Callista wirklich wünscht.«
»Gerade das furchte ich«, würgte Andrew mit trockener Kehle hervor. »Vielleicht weiß Callista nicht, was sie wünscht. Vielleicht wandte sie sich mir nur zu, weil sie allein und verängstigt war. Ich fürchte den Einfluss dieser alten Frau auf sie. Die Macht des Turms – sie ist vielleicht zu stark.«
Damon seufzte. »Und doch kann sie gebrochen werden. Ich habe sie gebrochen. Es war schwer – ich kann dir gar nicht erzählen, wie schwer es war –, und doch habe ich mir schließlich ein neues Leben aufgebaut. Und solltest du Callista auf diese Weise verlieren, ist es besser jetzt als später, wenn es für sie zu spät für eine Rückkehr ist.«
»Es ist bereits zu spät für mich«, sagte Andrew, und Damon nickte mit beunruhigtem Lächeln.
»Auch ich möchte dich nicht verlieren, mein Freund.« Bei sich dachte Damon: Du bist Teil dieses neuen Lebens, das ich mir mit so unendlicher Mühe aufgebaut habe. Du und Ellemir und Callista. Ich ertrage keine weitere Amputation mehr. Aber Damon sprach es nicht aus, er seufzte nur und blieb neben Andrew stehen. Das Schweigen in dem Gewächshaus dauerte so lange, dass die rote Sonne vom Zenit hernieder stieg und ihre Kraft verlor, und Damon ging schließlich, um die Sonnenkollektoren umzustellen. Andrew schleuderte ihm entgegen: »Wie kannst du so ruhig warten? Was sagt diese alte Frau ihr?«
Doch Andrew hatte bereits gelernt, dass das Belauschen der Gedanken eines anderen in der Kaste der Telepathen als schändlichstes Verbrechen galt. Er wagte nicht einmal einen Versuch, Callista auf diese Weise zu erreichen. In seiner Erregung lief er im Gewächshaus auf und ab.
»Ruhig, ruhig«, mahnte Damon. »Callista liebt dich. Das lässt sie sich von Leonie nicht ausreden.«
»Selbst dessen bin ich mir nicht mehr sicher!«, rief Andrew verzweifelt. »Sie lässt es nicht zu, dass ich sie berühre, dass ich sie küsse... «
Freundlich erwiderte Damon: »Ich dachte, das hätte ich dir erklärt. Sie kann es nicht. Das sind... Reflexe. Sie sitzen tiefer, als du dir vorstellen kannst. Eine jahrelange Gewohnheit lässt sich nicht in wenigen Tagen ablegen. Aber ich kann dir versichern, dass sie schwer darum kämpft, diese... diese Konditionierung zu brechen. Du weißt, nicht wahr, dass sie in einem Turm nicht einmal daran denken würde, deine Hand zu ergreifen, wie ich es sie habe tun sehen, oder dir zu erlauben, ihre Fingerspitzen zu küssen. Hast du eine Vorstellung, welchen Kampf das gekostet hat?«
Gegen seinen Willen stieg in Damon die Erinnerung an die Zeit in seinem Leben hoch, als er sich unter Schmerzen selbst gelehrt hatte, sich nicht zu erinnern. Es war ein einsamer Kampf gewesen, und umso schlimmer, als er überhaupt nicht körperlich war. Er musste sein Bewusstsein von Leonies Anwesenheit unterdrücken, er musste sogar seine Gedanken unter Kontrolle halten. Sie durfte um keinen Preis erraten, was er verbarg. Nie
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