Darkover 16 - Die Winde von Darkover
Manchmal, wenn er die Standardverpflegung satt hatte, war er in die Altstadt hinübergeschlüpft, den darkovanischen Teil der Handelsstadt. Nicht wenige Restaurants dort bedienten Raumfahrer und Touristen, die der »exotischen Delikatessen« wegen kamen. Aber ihm war nicht nach einem Versuch zumute gewesen, an den Wachposten vorbeizukommen. Sie hätten ihn womöglich angehalten. Vielleicht hätten sie geglaubt, er wolle vor einem Gerichtsverfahren fliehen. Er stand nicht offiziell unter Arrest, aber sein Name war Dreck.
Barron ließ den Duffelbag vor dem engen Aufzugschacht stehen, trat ein und drückte den obersten Knopf. Die Kabine stieg hinauf und setzte ihn auf dem Flur vor dem Kontrollraum ab. Er senkte den Kopf, ging daran vorbei, ohne einen Blick hineinzuwerfen, und steuerte das Büro des Koordinators im Penthouse an.
Und dann stand er ohne Vorwarnung auf einer hochgelegenen Brustwehr. Ein eisiger Wind traf ihn, so stark, daß seine Haut sich schmerzend zusammenzog und seine Kleider flatterten. Unter ihm schrien und stöhnten und starben Männer beim Klirren von Stahl auf Stahl, und irgendwo fielen Steine mit gewaltigem Knirschen und Poltern wie das Ende der Welt. Barron konnte nicht sehen. Er drückte sich eng an die Mauer. Mit glühenden Zähnen biß der Frost nach seinen steifen Fingern. Er kämpfte gegen die Übelkeit an, die ihm in die Kehle stieg. So viele Männer. So viele Tote, und alle sind sie meine Leute und meine Freunde…
Er ließ den Stein los. Seine Finger waren so verkrampft, daß er sie mit der anderen Hand lösen mußte. Er raffte die wehenden Kleider um sich und empfand einen Augenblick lang unangemessenes körperliches Wohlbehagen an dem dicken Pelz um seine kalten Hände. Schnell tasteten sich seine Füße durch die vollständige Dunkelheit. Er bewegte sich wie in einem Traum; er wußte, wohin er ging, aber nicht, warum; seine Füße kannten den Weg. Sie schritten von Kopfsteinpflaster über einen hölzernen Parkettboden bis zu dicken Teppichen, dann eine lange Treppe hinunter und eine andere hinauf - weiter und weiter weg, bis die fernen Geräusche der Schlacht und der einstürzenden Mauern gedämpft wurden und dann ganz erstarben. Die Kehle war ihm eng, und er schluchzte im Gehen. In einem niedrigen Bogengang zog er automatisch den Kopf vor einer Decke ein, die er nie gesehen hatte und nie sehen würde. Ein kühler Luftzug traf ihn. Er tastete in der Dunkelheit nach etwas, das sich wie ein loser Kapuzenmantel von federiger Beschaffenheit anfühlte, steckte seinen Kopf durch die Halsöffnung und zog das Gewand hinunter.
Er sank zurück und schien sich im gleichen Augenblick zu erheben, hochzusteigen und auf Vogelschwingen hinauszuschweben. Die Dunkelheit lichtete sich plötzlich und verschwand. Er nahm die Helligkeit nicht mit seinen blinden Augen, sondern durch die Haut seines Körpers wahr, und er spürte kaltes, rötliches Licht und frostige Wolken. Gewichtlos, von dem Federkleid getragen, flog er hinaus und orientierte sich an dem plötzlichen Leuchten des Sonnenaufgangs.
Er gewöhnte sich schnell an das Federkleid, und auf einem Flügel balancierend (es ist lange her, daß ich das gewagt habe!) blickte er nach unten.
Die Farben waren seltsam, flach, die Umrisse verzerrt und konkav; er sah sie nicht mit den normalen Augen eines Sterblichen. Weit unten drängten sich in der Nähe eines Außenwerks Männer in derber, dunkler Kleidung um einen mit Häuten bedeckten primitiven Turm. Pfeile flogen, Männer schrien; einer fiel mit einem langen Verzweiflungsschrei von der Mauer und verschwand außer Sicht. Barron schlug die Schwingen, wollte hinabtauchen, und…
Er stand auf einem festen Fußboden und wischte sich den Schweiß des Entsetzens vom Gesicht.
Er war hier. Er war Dan Barron. Er flog nicht, bis auf ein paar Federn körperlos, über eine unheimlich kippende Landschaft gegen eine beißende Luftströmung. Er betrachtete seine Finger und steckte einen in den Mund. Er fühlte sich taub, erstarrt an. Der Stein war kalt .
Es war wieder geschehen.
Es war so real, so verdammt real . Immer noch hatte er eine Gänsehaut, und er wischte sich die Augen, die immer noch von dem eisigen Wind tränten. Großer Gott , dachte er und schüttelte sich. Hatte ihm jemand Halluzinogene eingeflößt? Warum sollte das irgendwer tun? Er hatte keine Feinde, soviel er wußte. Er hatte keine wirklichen Freunde - er war nicht der Typ, der auf einem fremden
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