Darkover 17 - Die blutige Sonne
tauchte. Rannirl meinte trocken, wenn Kerwin die Nerven und die Kontrolle verlöre, könnten sie alle schlimm verletzt werden. Deshalb verwehrte er ihm, das Glas zu kontrollieren, solange sie damit arbeiteten. Schicht auf Schicht wurde gegossen. Elorie aktivierte mit ihrer eigenen Matrix die in jede Schicht eingelagerten sensitivierten Kristalle. Rannirl hielt sich bereit, die Kontrolle zu übernehmen, wenn sie müde wurde, und verfolgte dabei den ganzen Prozeß auf einem Überwachungsschirm. Er war jenem nicht unähnlich, den Kerwin im Haus der beiden Matrix-Mechaniker in Thendara gesehen hatte. Rannirls Überwachung der komplizierten Struktur entsprach der, die Taniquel und Neyrissa am Körper eines jeden von ihnen durchführen konnten.
Einmal bemerkte Rannirl am Ende einer langen Schicht: »Ich sollte das nicht sagen, aber Elorie ist als Bewahrerin verschwendet. Sie hat das Talent für eine Technikerin, und das kann sie niemals werden, weil wir Bewahrerinnen zu nötig brauchen. Wären mehr Frauen bereit, als Bewahrerinnen zu arbeiten - eine Bewahrerin braucht diese Begabung nicht, sie braucht nicht einmal das Überwachen zu lernen, sie hat nur die Energonenströme zu halten. Zandrus Höllen, dafür könnten wir eine verdammte Maschine einsetzen. Ich könnte einen Verstärker bauen, der das leistet, und jeder gute Mechaniker wäre fähig, mit ihm umzugehen! Aber der Tradition entspricht es, die Polaritäten und Energieflüsse einer Bewahrerin zu benutzen. Und ich kann Elorie nicht einmal alles beibringen, was sie gern lernen möchte. Sie benötigt ihre ganze Energie für die Arbeit, die sie im Kreis tut! Verdammt noch mal… « Er senkte die Stimme, als fürchte er, er könne gehört und bestraft werden. »Bewahrerinnen sind heutzutage ein Anachronismus. Cleindori hatte recht. Wenn sie das nur einsehen wollten!« Aber als Kerwin ihn ansah und fragte, was er gemeint habe, schüttelte Rannirl den Kopf und sagte mit schmalen Lippen: »Vergiß, daß ich es gesagt habe. Es ist ein gefährlicher Standpunkt.« Er wollte nicht weitersprechen, aber Kerwin fing ein Gedankenbruchstück über Fanatiker auf, die glaubten, die rituelle Jungfräulichkeit einer Bewahrerin sei wichtiger als ihre Fähigkeiten bei der Matrix-Arbeit, und dieser Standpunkt werde die Türme früher oder später vernichten, wenn es nicht bereits geschehen sei.
In der Zusammenarbeit mit den anderen spürte Kerwin seine eigene Sensitivität Tag um Tag wachsen. Er hatte jetzt keine Schwierigkeiten mehr, beinahe jede Atomstruktur zu visualisieren. Bei Neyrissa hatte er gelernt, die eigenen inneren Organe und Prozesse zu überwachen, und das führte ihn weiter zu der Wahrnehmung von Kraftfeldern und atomaren Prozessen. Es bereitete ihm keine Mühe, die Stasis in jeder kristallinen Struktur aufrechtzuerhalten. Er begann, die innere Struktur anderer Substanzen zu spüren. Einmal wurde er sich plötzlich der Oxydation von Eisen in einer langsam rostenden Türangel bewußt. Es war seine erste selbständige Leistung, als er seine Matrix hervorzog und den Vorgang mit heftiger geistiger Konzentration umkehrte.
Immer noch bekam er schreckliche Kopfschmerzen, wenn er mit den Schirmen arbeitete - obwohl er jetzt ohne Hilfe eines anderen eine Schicht in den Relais übernehmen konnte. Jedes Mal, wenn er seine psychischen Kräfte verausgabt hatte, war er erschöpft und ausgeleert, und sein Körper verlangte enorme Essensmengen und viel Schlaf.
Nun verstand er, warum sie alle einen so gargantuanischen Appetit hatten. Zum Beispiel hatte er sich über Elories kindliche Gier nach Süßigkeiten amüsiert und sich gewundert, daß ein so zartes Mädchen Mengen verputzen konnte, die einen Pferdetreiber satt gemacht hätten. Aber jetzt merkte er, daß er selbst die ganze Zeit hungrig war. Sein Körper verlangte gebieterisch Ersatz für die ihm entzogene Energie. Und wenn die Arbeit des Tages getan war - oder abgebrochen wurde, weil Elorie es nicht mehr aushielt - und Kerwin sich ausruhen konnte und wenn dann Taniquel einen freien Augenblick für ihn fand, brachte er nichts anderes fertig, als sich neben ihr niederzuwerfen und zu schlafen.
»Ich fürchte, ich bin kein sehr feuriger Liebhaber«, entschuldigte er sich einmal, halb krank vor Kummer. Taniquel war bei ihm, voll liebevoller Hingabe, und sein Körper kannte kein anderes Verlangen als das nach Schlaf. Taniquel lachte leise, beugte sich über ihn und küßte ihn.
»Ich weiß; ich bin schon mein
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