Darkover 21 - Sharras Exil
hatte den Lord nicht öfter als zweimal in ihrem Leben gesehen, aber sie wusste, dass er Kennard Lanart-Alton war, Herr von Armida, das Oberhaupt der Alton-Domäne, das sich selbst zum Exil verurteilt hatte. Und jetzt konnte sie sich auch denken, wer der jüngere Mann war, der mit den missmutigen Augen: sein halbblütiger Sohn Lewis. Vor ein paar Jahren war er während einer Rebellion irgendwo in den Hellers schrecklich verletzt worden. Dio interessierte sich nicht besonders für derlei Dinge, und auf jeden Fall hatte sie noch mit Puppen gespielt, als es geschah. Aber Lews Pflegeschwester Linnell Aillard hatte eine ältere Schwester namens Callina, die Bewahrerin in Arilinn war, und von Linnell hatte Dio über Lews Verletzungen gehört und dass Kennard ihn in der Hoffnung, die medizinische Wissenschaft der Terraner könne ihm helfen, nach Terra gebracht hatte.
Die beiden Comyn standen in der Nähe des Zentral-Computers an der Empfangstheke des Hotels. Kennard gab den menschlichen Dienern, die zu der Luxus-Atmosphäre des Hotels beitrugen, ein paar ruhige, bestimmte Befehle wegen des Gepäcks. Dio selbst war auf Darkover aufgewachsen, wo menschliche Diener etwas Alltägliches waren, Roboter dagegen nicht. Sie konnte Dienste dieser Art entgegennehmen, ohne in Verlegenheit zu geraten. Vielen Leuten gelang es nicht, ihre Scheu oder Bestürzung zu überwinden, wenn sie von Menschen statt von Servomechs oder Robotern bedient wurden. Dios Gewandtheit in diesen Dingen verlieh ihr unter den anderen jungen Leuten auf Vainwal Status. Die meisten von ihnen gehörten zu den Neureichen in einem sich ausbreitenden Imperium. Sie strömten auf Vergnügungswelten wie Vainwal zusammen, hatten jedoch wenig Lebensart und konnten Luxus nicht akzeptieren, als seien sie daran gewöhnt. Das Blut verrät sich immer, dachte Dio, während sie Kennard beobachtete, der genau den richtigen Ton gegenüber den Dienern traf.
Der jüngere Mann drehte sich um. Jetzt bemerkte Dio, dass er die eine Hand in den Falten seines Mantels verbarg und dass er sich unbeholfen bewegte, als er einhändig mit einem ihrer Gepäckstücke fertig zu werden versuchte. Anscheinend wollte er nicht, dass es von irgendwem anders berührt wurde. Kennard sprach leise mit ihm, aber Dio hörte den ungeduldigen Ton heraus. Der junge Mann reagierte mit einem so düsteren und zornigen Blick, dass Dio erschauerte. Plötzlich war ihr klar, dass sie nicht wünschte, diesen jungen Mann noch einmal zu sehen. Aber von dem Punkt aus, wo sie stand, konnte sie das Foyer nicht durchqueren, ohne den Weg dieser Männer zu kreuzen.
Am liebsten hätte sie den Kopf gesenkt und so getan, als seien die beiden gar nicht da. Schließlich war es einer der Reize einer Vergnügungswelt wie Vainwal, dass man dort anonym war, frei von den Beschränkungen der Klasse und Kaste auf der eigenen Heimatwelt. Sie wollte nicht mit ihnen sprechen, sie wollte ihre Privatsphäre ebenso unangetastet lassen, wie sie es sich für ihre eigene wünschte.
Aber als sie vorüberging, machte der junge Mann, der Dio nicht gesehen hatte, eine ungeschickte Bewegung und stieß heftig mit ihr zusammen. Das Gepäckstück, das er trug, rutschte ihm weg und fiel mit metallischem Klappern auf den Fußboden. Er murmelte ein paar ärgerliche Worte und bückte sich danach. Es war ein langer, schmaler, eng umwickelter Gegenstand und sah ganz nach einem Paar Duell-Schwertern aus. Das allein würde seine Vorsicht erklären; derartige Schwerter waren oft kostbare Erbstücke, die man niemals jemand anders in die Hand gab. Dio trat zur Seite, aber der junge Mann fummelte mit seiner guten Hand herum und brachte nichts weiter fertig, als das Paket noch weiter über den Fußboden schlittern zu lassen. Ohne nachzudenken, bückte sie sich, um es aufzuheben und ihm zu reichen - es lag genau vor ihren Füßen -, aber er schob sie davon weg.
»Fassen Sie das nicht an!«, sagte er. Seine Stimme war barsch und rau, und das Zähneknirschen, das darin mitklang, ging Dio auf die Nerven. Sie sah, dass der Arm, den er in seinem Mantel versteckte, in einem ordentlich gefalteten leeren Ärmel endete. Vor Entrüstung blieb ihr der Mund offen stehen, als er wütend wiederholte: »Fassen Sie das nicht an!«
Und sie hatte nur versucht zu helfen!
»Lewis!«, mahnte Kennard scharf. Der junge Mann murmelte mit finsterem Blick etwas wie eine Entschuldigung und nahm die Duell-Schwerter - oder was es sein mochte - mühsam in beide
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