Darkover 23 - Asharas Rückkehr
hinunterfallen und wurde still.
Sie blieb wie angewurzelt stehen, bis eine Frau vortrat. Ihr Haar war dunkel, ihre Haut blass, und sie war blau gekleidet. Sie hob die Arme und begann mit einem kräftigen Sopran zu singen, der zwischen den Grabsteinen und Bäumen schallte. Es war eine klagende Melodie, herzerweichend in ihrer Schönheit und Reinheit. Die Worte handelten von Frühlingen, die Ivor nie mehr sehen würde, Essen, das er nie mehr kosten, und Blumen, die er nie mehr riechen würde. Alle Sinne wurden gefeiert, und Margaret schluchzte erschüttert und hemmungslos. Als die unbekannte Frau zu Ende gesungen hatte, trat sie zur Seite, und ein großer Mann nahm ihren Platz ein. Margaret erkannte seine Stimme als die des Mannes, der Everard an der Spitze der Zunft nachfolgen würde. Er sang ein wunderschönes Lied in einer alten Form des Darkovanischen, und Margaret hatte Mühe, den Worten zu folgen. Die warme Kraft seines Baritons erfüllte sie mit einem Gefühl der Erleichterung, und sie stellte fest, dass sie zu weinen aufhören konnte und schweigend zuhörte. Sie wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht, die plötzliche Ruhe umgab sie so unerwartet, dass sie kaum wusste, wie sie sich verhalten sollte.
Zuletzt nahm Margaret Ivors altehrwürdige Gitarre aus dem Kasten, stimmte sie sorgfältig und strich über die Saiten. Sie sang mit heiserer Stimme, aber als sie sich warm gespielt hatte, verlor sie sich in der Musik, zupfte Melodien, die der Professor besonders geliebt hatte, alte terranische Lieder und Trinklieder von der Universität. Sie sang Liebeslieder von einem dutzend Welten, und als sie müde wurde, schloss sie mit
einem Klagelied, das so alt war, dass niemand mehr wusste, woher es stammte. Es handelte von einem tapferen und furchtlosen Helden, der vor seiner Zeit gefallen war.
Als Margaret aufblickte, sah sie, dass ihre Musik die kleine Trauergemeinde bewegt hatte; die Leute weinten oder hielten ihre Tränen zurück. Sie ließ die Gitarre sinken und verneigte sich. Es war vorbei.
Everard berührte sie am Arm. »Kommen Sie. Gehen wir heim.« Heim? Wo war ihr Zuhause? Wo gehörte sie hin? Das Gefühl des Verlusts brach wieder über sie herein und mit ihm der bohrende Kopfschmerz. »Ich danke Ihnen für alles, Meister Everard. Sie waren sehr freundlich. Aber ich würde gern noch eine Weile hier bei Ivor sitzen. Dann komme ich zurück zum Haus. Wären Sie wohl so nett, Ivors Gitarre mitzunehmen?«
»Natürlich, aber kommen Sie auch bestimmt allein zurecht?« »0 ja. Ich kenne den Weg inzwischen ganz genau.«
»Davon bin ich überzeugt. Sie sind eine sehr bemerkenswerte Frau, Marguerida Alton.« Mit diesen Worten verließ er sie.
6
Als Margaret allein war, trauerte sie. Vögel sangen in den Bäumen des Friedhofs; sie hörte sie, ohne wirklich darauf zu achten. Schließlich entschied ihr Körper, dass er hungrig war, und brachte sie jäh in die Gegenwart zurück. Es war ärgerlich. Dann vermeinte sie, Ivor kichern und ihr sagen zu hören, sie solle nicht eine solche Idiotin sein. Sie ging zurück durch das steinerne Tor des Friedhofs und begann sich nach einem Lokal umzusehen, in dem sie essen konnte.
Sie fand ein kleines Speisehaus, direkt vor derTerranischen Zone. Die meisten Gäste waren Terraner, die ihre schwarzen Lederuniformen zur Schau stellten und mit lauter Stimme sprachen. Sie schrak zusammen von dem Lärm und suchte sich einen Tisch im hinteren Teil des Lokals, wo es relativ ruhig war. Sie fühlte sich wie taub und ließ ihre Gedanken ziellos wandern.
Ein rundliches Mädchen in darkovanischer Kleidung kam an den Tisch und fragte, was sie zu essen wünschte. Margaret war zu müde zum Auswählen und bat um irgendetwas Beliebiges von der Speisekarte, die mit Kreide hinter der Theke angeschrieben stand. Was es auch war, es würde bestimmt schmecken und satt machen.
Das Mädchen brachte ihr eine Schüssel mit dampfendem Rabbithorneintopf, einen Korb mit noch ofenwarmem Brot und einen Krug Bier. Große Stücke zartes Fleisch schwammen in einer dicken Sauce mit viel Gemüse, das quälend vertraut schmeckte. Die Krauter und Gewürze waren ihrer Zunge immer noch fremd, die längst an die fade Universitätsküche gewöhnt war. Sie musste lächeln bei der Erinnerung an ihre ersten Erfahrungen mit dem Gemeinschaftsessen. Wie sie einer ihrer Mitstudenten aufgeklärt hatte, als sie entsetzt auf eine
Schüssel mit geschmacklosen Getreideflocken gestarrt hatte, die sich als Frühstück ausgaben: »Das Essen
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