Darkover 24 - Die Schattenmatrix
Grenzen.
Nachdem Mikhail seine schmerzenden Muskeln im Wasser entspannt und frische Kleidung angezogen hatte, war er fast wieder so gut gelaunt wie eh und je. Nach Regis’ herzlicher Begrüßung musste er weder fürchten, dass man ihn bestrafen noch verbannen würde. Alle seine Ängste hatten sich in nichts aufgelöst, und er ärgerte sich ein wenig über sich selbst, weil er so töricht gewesen war. Möglicherweise hatte er nicht einmal besonders harte Kritik wegen seines Umgangs mit Priscilla und den Kindern zu erwarten.
Deshalb pfiff er eins von Margueridas Lieblingsliedern vor sich hin, als er zu dem kleinen Speisesaal im zweiten Stock der Burg ging. Er verstummte, als er eine vertraute Frauengestalt und rotem Haar vor sich stehen sah. Marguerida! Kein Wunder, dass Regis so geheimnisvoll getan hatte! Doch wie war das möglich? Er hatte vor genau drei Nächten mit ihr gesprochen, und da war sie noch in Neskaya gewesen.
Dann drehte sich die Frau um und sah ihn an, und Mikhail erkannte, dass es nicht Marguerida Alton, sondern Gisela Al-daran war. Er hatte vergessen, wie ähnlich sich die beiden sahen, was eigentlich kaum überraschte. Schließlich war Marguerida zur Hälfte eine Aldaran. Gisela lächelte, und Mikhail bemerkte, dass ihre Augen grün und nicht golden waren und ihre Zähne eine Idee weiter vorstanden als die seiner Liebsten. Aber für einen unwissenden Betrachter konnten sie glatt als Schwestern durchgehen. Der herzhafte Appetit, den Mikhail auf dem Weg zum Speisesaal verspürt hatte, war wie weggeblasen.
Was zum Teufel tat diese Frau hier? Und was hatte Regis diesmal wieder vor? Mikhail zweifelte nicht im Geringsten daran, dass Giselas Anwesenheit kein Zufall war, sondern einen ganz bestimmten Zweck in Regis’ Ränkespielen und Plänen für Darkover erfüllte. Und da er wusste, wie der Verstand seines Onkels arbeitete, kitzelte ihn eine böse Vorahnung.
»Mikhail - wie schön, dich wieder zu sehen!« Giselas Stimme war tiefer als die von Marguerida, ein kehliger Tonfall, der viel zu schmeichelnd klang und Mikhails Argwohn nur verstärkte. Sie war noch ein junges Mädchen gewesen, als er sie zuletzt getroffen hatte, und nun war sie unübersehbar eine Frau.
»Gisela! Was für eine Überraschung! Hat Regis also den Rat endlich dazu gebracht, dass die Aldarans die geheiligte Luft der Kristallkammer atmen dürfen? Ich war nämlich verreist.« Verdammt sei Regis, mich derart zu überfallen.
»Noch nicht«, antwortete sie und ging anmutig auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Gisela trug ein grünes Kleid aus feinster Wolle, das am Saum und an den Ärmelaufschlägen mit Rosen bestickt war. Es schmiegte sich eng an ihren Körper, so dass ihre schlanke Figur beinahe unanständig zur Geltung kam. »Doch die Dinge entwickeln sich zu beinahe jedermanns Zufriedenheit.«
Mikhail beugte sich über ihre Hand. »Es freut mich, das zu hören. Wir waren alle sehr erstaunt, als Regis letzten Sommer die Rückkehr der Aldarans in den Rat der Comyn vorschlug - aber mein Onkel tut ja nie das, was man erwartet, hab ich Recht? Wer, wenn ich fragen darf, ist denn nicht so glücklich mit der Situation?«
»Ich fürchte, Lady Marilla sträubt sich noch, und dein Vater ist …« »Du brauchst nicht weiterzureden. Meinem Vater macht es anscheinend Spaß, immer und überall zu widersprechen. Meine Mutter hat oft so etwas gesagt, und sie ist eine sehr kluge Frau.« Gisela lächelte wieder. »Lass uns nicht von solchen Dingen reden. Wie geht es dir?«
»Ganz gut, wenn man bedenkt, dass ich gerade fünf Tage mit einem Sturm im Nacken durchs Land geritten bin, mehrere kleine Kinder in einer zu engen Kutsche dabeihatte und dazu eine Schwester, die mich am liebsten umgebracht hätte. Und dir?«
»Wusstest du, dass ich geheiratet habe?«
In Mikhails Brust machte sich Erleichterung breit. »Nein, das hatte ich noch nicht gehört. Wir hatten eine ganze Weile
keinen Kontakt mehr … seit fast sechs Jahren, oder? In der ganzen Zeit ist nur eine Neuigkeit über die Aldarans bis zu uns vorgedrungen, nämlich dass dein Bruder Hermes die Position von Lew Alton im Terranischen Senat übernommen hat. Wer ist dein Ehemann?« Mikhail sah sich um, aber sie waren allein, bis auf einen Lakai, der an einer Anrichte Wein einschenkte.
»Es waren eher sieben Jahre, aber ich bin froh, dass es dir kürzer vorkommt.« Ihre Stimme war belegt und klang honigsüß, sie rückte näher an ihn heran und musterte ihn so eingehend, dass er ganz unruhig wurde. Er hatte
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