Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
Sehnsucht ihrer Schwiegermutter nach einer Zeit, die sie eigentlich gar nicht gekannt hatte – denn die Terraner waren vierzig Jahre vor Javannes Geburt nach Darkover gekommen –, und ihre beinahe atavistische Angst vor Veränderung. Die junge Frau begriff auch, dass es für eine Umkehr viel zu spät war und dass Darkover vermehrtes Wissen und nicht analphabetische Unwissenheit brauchte, wenn es gedeihen wollte. Die Föderation würde nicht abziehen, nur weil Javanne Hastur es wünschte; es schien allerdings unmöglich, der Frau diesen Umstand begreiflich zu machen.
Die Weltraummanie, die noch eine Generation zuvor die jungen Menschen beherrscht hatte, war jedoch wieder abgeklungen, und die große Masse der Leute war zu ihren normalen Beschäftigungen zurückgekehrt – mit einem stillen Seufzer der Erleichterung, wie Marguerida wusste. Die Zahl junger Männer und Frauen, welche die komplizierte Technologie der Föderation erlernen wollten, war ebenfalls zurückgegangen. Es gab zwar immer ein Aufgebot junger Leute, die unbedingt eine Beschäftigung im Hauptquartier der Föderation anstrebten, aber dabei handelte es sich überwiegend um Abkömmlinge von Föderationsleuten, die Darkovaner geheiratet hatten.
Dafür war die Föderation selbst verantwortlich. Die politische Körperschaft, die Marguerida aus ihrer Universitätszeit kannte, gab es nicht mehr – an ihre Stelle war ein Gewirr von bürokratische n Gremien getreten, die alle eifersüchtig über ihre Privilegien wachten und nicht gewillt waren, Neuankömmlinge in ihren Reihen aufzunehmen. Diese Neuorganisation hatte vor zwölf Jahren stattgefunden und ihnen Lyle Belfontaine als Stützpunktleiter im Hauptquartier beschert.
Marguerida hatte ihn nie persönlich kennen gelernt, ihr Vater hingegen schon, und der hatte ihr einen ziemlich armseligen Eindruck von dem Mann vermittelt. Belfontaine hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er die Darkovaner für rückständig und unbrauchbar hielt. Die organisatorische Verschiebung in der Föderation hatte ihn zum mächtigsten Terraner auf dem Planeten gemacht und selbst über dem Planetarischen Verwalter angesiedelt, der zwar seinen Posten behielt, aber in wesentlichen Dingen nichts mehr zu sagen hatte. Belfontaine hatte das alte John-Reade-Waisenhaus aus Verärgerung über eine Entscheidung von Regis geschlossen und das Medizinische Zentrum außer für die Angestellten der Föderation gleich ebenfalls dichtgemacht.
Die meisten dieser Ereignisse hatten sich bis vor kurzem unbemerkt von Marguerida abgespielt. Sie war viel zu sehr mit der Erziehung ihrer drei Kinder und den Studien mit Istvana beschäftigt gewesen. Beide Tätigkeiten hatten sie auf unerwartete Art befriedigt, größere Angelegenheiten hatte sie mit Freuden ihrem Vater, Regis oder Mikhail überlassen. Zusammen mit ihren anderen, öffentlicheren Aktivitäten hatte es ihr gereicht. Doch nun, da sie herausgefunden hatte, dass sie mit eben dieser Hand, die ihr Fluch und ihr Segen war, auch Musik komponieren konnte, hatte sie einen Quell der Freude entdeckt, den ihr nichts anderes bieten konnte.
Sie hatte nie an der Verwaltung von Burg Comyn teilhaben wollen, aber Lady Linnea überzeugte sie schließlich, dass sie keine andere Wahl hatte. Eines unbestimmten Tages, wenn Regis Hastur sich zur Ruhe setzte oder seine Gemahlin zu alt dafür war, würde ihr diese Aufgabe ohnehin zufallen. Die Vorstellung behielt etwas Unwirkliches für Marguerida, als könnte sie den Gedanken an das unvermeid liche Ende der beiden nicht ertragen.
Sie hatte ihre neuen Pflichten in Angriff genommen wie alles andere in ihrem Leben auch – indem sie möglichst vieles in möglichst kurzer Zeit lernte. Es war von Nutzen gewesen, dass sie ihren längst verstorbenen Mentor Ivor Davidson zehn Jahre lang als Assistentin auf seinen Reisen in die hintersten Winkel der Föderation begleitet hatte, wo sie nach einheimischen Musiktraditionen forschten. Darüber hinaus genoss Marguerida den Vorteil, Burg Comyn auf eine Weise zu kennen wie niemand sonst. In ihr Gedächtnis waren uralte Erinnerungen an das Gebäude eingebrannt, ein Überbleibsel von der Überschattung durch die seit langem tote Bewahrerin Ashara Alton. Diese uralten Erinnerungen waren als immer wiederkehrende Albträume der Fluch ihrer Kindheit und Jugend gewesen. Erst die Rückkehr auf ihren Geburtsplaneten hatte sie von der Qual durch unerklärliche Gedanken und Bilder befreit, obwohl damit für eine Weile mehr
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