Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
der Garage, in der der imposante Rolls-Royce ihrer Mutter stand, und ging durch den Kücheneingang ins Haus. Die Köchin hatte bereits aufgeräumt und war gegangen, aber Jema konnte zwei Stimmen aus dem Wohnzimmer hören und folgte ihnen.
»Ich bin nicht an deiner Meinung interessiert, Daniel. Ich bezahle dich als Arzt«, sagte Meryl Shaw mit sachlicher Stimme. »Nicht als Familientherapeuten.«
Jema blieb im Flur stehen und lauschte.
»Soll ich dir erklären, wie sich mentaler Stress auf den Körper auswirkt?« Dr. Daniel Bradford klang genauso sachlich und kontrolliert, aber Zuneigung machte seine Stimme wärmer als Meryls. »Du kannst Jema nicht einsperren. Sie braucht ihre Arbeit und ein gewisses Maß an Freiheit.«
»Ich entscheide, was Jema braucht«, erklärte Meryl leise. »Nicht du und auch sonst niemand.« Sie hustete mehrmals. »Ich habe Schmerzen in der Brust.«
Und wieder die üblichen Brustschmerzen. Jema lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen.
Es entstand ein Schweigen, und dann sprach Dr. Bradford, diesmal viel weicher. »Du weißt, dass es dein Magengeschwür ist, nicht dein Herz. Diese Wut macht es nur schlimmer. Nein«, sagte er, als Meryl etwas murmelte, »das wirst du nicht. Trink das, um deinen Magen zu beruhigen, und dann bringe ich dich nach oben.«
Der auf stumm geschaltete Pieper, den Jema trug, begann zu vibrieren – eine wütende Biene, die in ihrer Tasche gefangen war. Sie sah auf das Display, aber eigentlich wusste sie, was dort stand. Der andere, geheime Teil ihres Lebens rief sie.
Sie sah zur Tür, steckte den Pieper wieder ein und entfernte sich vom Wohnzimmer. Als Jema vom Herrenhaus wegfuhr, sah sie nicht zurück. Sie bemerkte die geduckte Gestalt des Mannes nicht, der aus der Dunkelheit trat, als sich die Tore von Shaw House schlossen.
Der Mann hob das Walkie-Talkie in seiner Hand und sprach hinein. Das Licht von den Torlampen ließ den polierten schwarzen Kamee-Ring glänzen. »Miss Shaw hat das Grundstück verlassen.«
Die Antwort kam sofort und knapp. »Folge ihr.«
2
Valentin Jaus hob sein Langschwert über den Kopf, sodass sich die Klinge hinter seinem Rücken befand. Sein Gegner und Seneschall Falco Erhart umrundete ihn links, anstatt die Öffnung auszunutzen. In den hohen Spiegeln an der Wand hinter ihnen bewegten sich ihre Spiegelbilder, ein großer, dunkelhaariger Goliath gegen einen kleinen, blonden David.
Obwohl Jaus der Meister von Falco, Derabend Hall und allen war, die sie beobachteten, war er in diesem Kampf nicht Goliath.
» Zornhau «, sagte die trockene Stimme von Jaus’ Tresora Gregor Sacher von der Seite. Der Trainingsraum, bekannt als Turnierplatz, war so groß, dass jede Stimme hallte – jedenfalls dann, wenn aneinanderschlagende Klingen sie nicht übertönten. Er murmelte zu dem Jugendlichen, der neben ihm stand: »Achte darauf, wie der Meister die spanische Arrebatar -Technik ausnutzt, was einem Fechtmeister erlaubt, mit dem ganzen Arm zu schlagen.«
»Falco nutzt die Öffnung nicht, um anzugreifen, Opa.« Wilhelm Sacher beobachtete beide Männer mit großen Augen. Als Tresora in der Ausbildung war es ihm gestattet, den Großteil von Jaus’ Leben innerhalb von Derabend Hall zu beobachten. »Er geht zur Seite.«
»Ein erfahrener Schwertkämpfer lässt sich nicht locken«, erklärte Sacher dem Jungen. »Falco benutzt das Überlaufen, um sich dem Angriff zu entziehen und herauszufinden, welche Schwächen der Angriff eröffnet.«
Jaus hätte die Bewegung zu Ende geführt und die flache Seite des Schwerts auf Falcos Schulter geschlagen, wenn sein Seneschall leichtsinnig genug gewesen wäre, auf seinen Trick hereinzufallen. Ungeschicktes Verhalten zu tolerieren, lief dem Sinn der Übungskämpfe entgegen. Falco jedoch machte kaum je Fehler und kannte Jaus besser als jeder andere Mann im Jardin . Er besaß außerdem den Vorteil, größer zu sein und längere Arme zu haben, und nutzte ihn.
Dennoch hatte Falco seinen Meister noch nie geschlagen. Jaus dominierte ihre Kämpfe nicht, weil er stärker war, sondern weiser. Seine Erfahrung war zehnmal so groß wie die seines Seneschalls.
Außerdem erlaubte sich Valentin Jaus nicht mehr, Kämpfe zu verlieren.
Als zweiter Sohn eines wohlhabenden und einflussreichen Barons war Valentin durch ganz Europa geschickt worden, um bei spanischen, englischen und französischen Meistern zu trainieren. Mit der Zeit hatte er ihre Techniken in seinen Kampfstil aufgenommen. Seine ursprüngliche
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