Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
bisschen, und ich stocke schon mal meine Keksvorräte fürs nächste Mal auf.«
Das Southeast Chicago Hospital war eine Festung der modernen Medizin, um deren Zweitausend-Betten-Gebäude sich über die Jahre ein kleines Dorf aus Spezialkliniken, Ambulanzen und Rehabilitationszentren angesiedelt hatte. Alex parkte in der privaten Ärztegarage und meldete sich an der Rezeption an, bevor sie mit dem Personalaufzug in den vierzehnten Stock fuhr.
Sie war schon hundertmal in Luisas Zimmer gewesen und musste sich immer noch zwingen, den Knopf für die vierzehnte Etage zu drücken. Je höher der Fahrstuhl kam, desto schwerer wurde das unsichtbare Gewicht auf ihren Schultern.
Luisa Lopez war in den Projects auf Chicagos Westside geboren worden und hatte ihr ganzes Leben dort verbracht. Weil sie mit sechzehn schwanger wurde, bekam sie Sozialhilfe und eine eigene Wohnung, aber das Gebäude, in das sie zog, war viel älter als das ihrer Mutter. Die Bewohner waren so gemeingefährlich, dass die Polizei dieses Haus nicht ohne Verstärkung betrat. Luisa jedoch war entschlossen, allein zu leben und für sich und ihr Kind zu sorgen. Sie zog ein und ging zur Abendschule.
»Sie hat für dieses Baby gelebt«, hatte Sophia Lopez Alex bei ihrem ersten Gespräch erzählt. » Todo el mundo , es bedeutete ihr alles.«
Mrs Lopez hatte ihr ein Foto ihrer Tochter aus der zehnten Klasse gezeigt. Luisa war eher unscheinbar und ein bisschen übergewichtig gewesen, mit glatter schokoladenfarbener Haut und hübschen weißen Zähnen, das dicke schwarze Haar zu ordentlichen Zöpfen geflochten. Wirklich schön strahlten nur ihre großen haselnussbraunen Augen, die sie von ihrem puerto-ricanischen Vater geerbt hatte.
Luisa, die zurückhaltend gewesen war und niemanden gestört hatte, nahm abends immer den Bus von der Schule nach Hause, aber junge Frauen ohne Begleitung fallen auf. Eines Abends war ihr entweder jemand gefolgt oder in ihre Wohnung eingebrochen, wo er auf sie wartete.
Wer immer es gewesen war, hatte drei Freunde mitgebracht.
Die Polizei rekonstruierte anhand des Tatortes und einiger zögerlicher Zeugen den Tathergang. Vier Eindringlinge hatten die Wohnung verwüstet und, als sie nichts Wertvolles fanden, ihre Wut an Luisa ausgelassen.
Alex erinnerte sich, wie sie den ersten Bericht aus der Notaufnahme gelesen hatte. Fünf Seiten, vorne und hinten beschrieben, waren nötig gewesen, um die Liste der Verletzungen aufzuführen, die Luisa erlitten hatte. Es war zu viel für ihr ungeborenes Kind gewesen, das sie verlor.
Die Polizei glaubte, dass Luisas Angreifer die Wohnung in Brand steckten, um ihr Verbrechen zu verschleiern, aber jemand auf der Etage roch den Rauch und rief die Feuerwehr. Alex hatte mit dem Feuerwehrmann gesprochen, der Luisa auf dem Boden zusammengerollt fand. Ihre Kleidung brannte, sie hatte Wehen und klammerte sich an den Teddybären, den sie für ihr Kind gekauft hatte. Der Feuerwehrmann, ein erfahrener Mann, hatte geweint, als er Alex beschrieb, wie er die Flammen erstickt hatte und das Spielzeug aus Luisas verbrannten, klammernden Armen reißen musste.
Die Männer, die sie angegriffen hatten, waren immer noch auf freiem Fuß.
Abgesehen von der Kapelle war die Station für Verbrennungen der ruhigste Ort im Krankenhaus. Alex senkte ihre Stimme, als sie mit der Stationsschwester sprach. »Wie geht es ihr?«
»Schlechte Nacht, hat sich zweimal den Tropf rausgerissen.« Die Krankenschwester gab ihr die Krankenakte. »Hat sich auch den Katheter rausgezogen und das ganze Bett vollgepinkelt. Und mich mit ein paar ziemlich üblen Schimpfwörtern bedacht, als ich sie nach dem Frühstück umgelagert habe.«
»Das ist mein Mädchen.« Alex bemerkte, wie viel Morphium Luisa bekommen hatte, und schrieb dann ein Rezept für Valium aus. »Wenn sie heute Nacht wieder wild wird, stellt sie ruhig.«
Weil das Feuer Verbrennungen dritten Grades auf über fünfundvierzig Prozent ihres ohnehin schon unglaublich malträtierten Körpers hinterlassen hatte, ging man davon aus, dass Luisa nicht überleben würde. Alex war von ihrer Mutter gerufen worden, die wütend über die gleichgültige Behandlung durch die anderen Ärzte gewesen war. In gebrochenem Englisch hatte Sophia Lopez ihr damals gesagt, dass sie alles tun würde, was in ihrer Macht stand, damit ihre Tochter überlebte.
Und jedes Mal, wenn Alex Luisa ansah, fragte sie sich, was für eine Art Leben das sein würde.
Heute saß ein großer, schwarz gekleideter Mann neben
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