Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
„einäugige Könige“ eine relativ gute Benotung, d. h. ein Selektionsplus. Die Zensurenverteilung in einer Klasse orientiert sich immer auch am Gesamtniveau – die Note „befriedigend“ am Gymnasium ist auf der Realschule vielleicht ein „sehr gut“. Das von den Kritikern geäußerte Argument, die Selektion hätte gemäß Darwins Lehre die gezielte Herstellung „Wandelnder Nadeln“ induzieren müssen, ist somit ohne Kraft, da neben der Zufälligkeit der Produktion vor allem die fehlende direkte Einflussmöglichkeit der Selektion, das Ausbleiben eines Feedbacks auf die Produktionsebene, nicht berücksichtigt wird. Damit unterstellt man dem gesamten System eine Lernfähigkeit, die überhaupt nicht gegeben ist. Der Mensch sieht sich ja gern in der Rolle der richtenden (selektiven) Instanz. Aber selbst wenn wir – die Gentechnik sei hier einmal ausgeklammert – noch so sehr darauf drängen, dass die Banane zwecks besserer Verstaubarkeit gerade werde, wird sie es nicht tun. Zumindest wird sie es so lange nicht tun, bis eine zufällige Veränderung der Bausteinsequenz der Bananen-DNA eine gerade „Dschungelwurst“ hervorbringt und sich diese dann noch in irgendeiner Form als vorteilhaft erweist. Dieser Benefit bezieht sich allerdings nicht auf das menschliche Verstauungsproblem, sondern auf die Lebenseignung der Banane. Wenn also etwa bestimmte Schädlinge keine Freude mehr an der begradigten Gelbfrucht fänden, hätte diese dadurch bessere Überlebenschancen, d. h. die gerade Form erhielte von der Selektion die Note „sehr gut“. Bevor ihr jetzt aufschreit, liebe Kritiker: Dieser Exkurs war eine nicht ganz ernst gemeinte Metapher, die nur dazu diente, das Fehlen einer direkten Einflussnahme der Selektion auf den nicht zielorientiert arbeitenden Herstellungsprozess neuer Varianten zu verdeutlichen.
Das Hervorheben der völlig planlosen Varietätenproduktion ruft die Kritiker natürlich sogleich wieder auf den Plan, besonders jene „Schrottplatz- und Hightech-Metaphoriker“, die Darwin so gern der Lächerlichkeit preisgeben würden. Sie erinnern sich, lieber Leser, an die Bilder vom Orkan, der über den Schrottplatz fegend zufällig einen Ferrari produziert, oder den Häuslebauer, der nach Lust und Laune Steine übereinander wirft und mit einer Nobelvilla belohnt wird. Ins Biologische übertragen fühlen sich die Kritiker bestätigt: Wenn die Selektion keinerlei Einfluss auf die zukünftige Produktion, auf Mutationen und Rekombinationen, nehmen könne, dann sei ja letztendlich doch der Zufall das alles beherrschende Moment der Evolution, dann wäre ein so filigranes System wie der menschliche Organismus aus darwinistischer Sicht also doch fast ein reines Zufallsprodukt. Um Ihnen, verehrte Leser, den hier zugrunde liegenden Irrtum der Kritiker vor Augen zu führen, sei Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf den vorangegangenen Abschnitt gelenkt. Dort wurde ganz bewusst von der fehlendend i r e k t e nEinflussmöglichkeit, dem nicht vorhandenend i r e k t e nFeedback der Selektion auf die Herstellung neuer Variationen gesprochen. Ein indirekter, aber außerordentlich bedeutsamer Einfluss ist jedoch vorhanden. Über die Auslese geeigneter Formen und Merkmale entscheidet die Selektion nämlich darüber, welche Produkte überleben und so als neue Ausgangsmaterialien für Mutation und Rekombination wieder in das Reagenzglas der Natur eingefüllt werden. Somit startet jede neue Experimentierrunde von einem höheren Ausgangsniveau, da die Ausschussware zuvor jeweils aussortiert wurde. Folglich steigt mit jedem neuen Herstellungszyklus die Gesamtqualität- und -komplexität an. Das ist so ähnlich wie mit dem menschlichen Entwicklergeist. Als das Rad erfunden war, wurde die Produktion dreieckiger Rotationskörper eingestellt. Seit durch die Arbeiten der Wrights, Lilienthals und Montgolfiers die grundlegenden Auftriebs- und Gleitprobleme gelöst waren, hat niemand mehr versucht, sich mit angeklebten Vogelfedern in die Lüfte zu erheben. Mit Erfindung des Viertakt-Ottomotors hatte der „Fred-FeuersteinAntrieb“ ausgedient und mit der Entdeckung der Lachgaswirkung im 19. Jahrhundert war die Zeit von Holzhammer und alkoholischem Vollrausch des Patienten als Anästhetika bei Operationen passé. Dass der Mensch im Gegensatz zur biologischen Evolution zielgerichtet produziert, sei sicherheitshalber nochmals erwähnt, um einem allzu hysterischen Aufschrei der Kritiker die Luft zu nehmen. Doch zurück zur Biologie. Als die
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