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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tectum Wissenschaftsverlag Marburg
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Tiere sind nie so verkehrt, dass sie dieselben regelmäßig zur Zerstörung ihrer eigenen Nachkommenschaft führten.“ Aus diesen Worten geht deutlich Darwins moralische Abscheu gegenüber menschlicher Mordlust hervor, doch in seiner Vorstellung tierischer Instinkte irrte er mangels Hinweis gebender Beobachtungen.
    Ein uns noch grausamer anmutendes Phänomen, das bei den bisher vorgestellten Fällen tierischer Kindstötung nie beobachtet wurde, ist der Kannibalismus. Besonders bei einigen Fischarten wie dem Hecht scheint der eigene Nachwuchs auf dem normalen Speiseplan zu stehen – und zwar nicht nur in Zeiten des Mangels. Für unser Ethikempfinden geradezu schockierend sind Studienbeobachtungen, die erstmalig in den 1970er Jahren an wild lebenden, ostafrikanischen Schimpansen gemacht wurden (Bygott, 1972; Godall, 1976). Demnach praktizieren, wenn auch äußerst selten, unsere nächsten Verwandten den Infantizid und sogar den Kindskannibalismus. Unrühmlicher 11 Sieger in der Rangliste der kannibalischen Landsäugetiere sind jedoch Bären inklusive der arktischen Eisbären. Die einzelgängerisch lebenden männlichen Tiere sind jederzeit bereit, Bärenjunge – auch den eigenen Nachwuchs – zu verspeisen. Weibliche Eisbären, die Junge in ihrer Obhut haben, reagieren äußerst aggressiv auf alle möglichen Bedrohungen und versuchen in ihren weitläufigen Streifgebieten die Nähe von Männchen zu meiden. Zudem bilden sie nicht selten „Kindergärten“, in denen sich mehrere Muttertiere fürsorglich um alle Jungen kümmern, ganz gleich, ob es der eigene Nachwuchs ist oder nicht. Dies geht bisweilen so weit, dass sich die Jungen selbst „neue“ Mütter suchen. Bei Ratten und Mäusen lässt sich mitunter ein stressbedingter Kindskannibalismus bei Überbevölkerung beobachten.
    Insgesamt scheint das Phänomen des Kannibalismus im Tierreich weiter verbreitet zu sein, als unsere menschlichen Moralvorstellungen es wahrhaben möchten. Bei den gestressten Nagern könnte die Nachwuchstötung als Regulativ für die Populationsdichte wirken. Im Falle der (Eis)Bären könnte der pure Überlebenstrieb in Zeiten knappen Nahrungsangebotes das kannibalistische Verhalten begründen. Gesichert sind diese Erklärungen aber nicht und so tappt man auf der Suche nach dem biologischen Sinn noch weitgehend im Dunkeln. Auch das Evolutionsmodell kann hier keine Abhilfe schaffen.
    Wenngleich die Tötung aus niederen Motiven (Mord) ein rein menschliches Phänomen ist, das es klar abzugrenzen gilt, müssen wir akzeptieren, dass innerartliche Tötungen, die nicht Bestandteil natürlicher Nahrungsketten sind, keineswegs nur die Folge nicht artgerechter Tierhaltung sind, sondern unter wild lebenden Tierarten ihren festen Platz haben. Demzufolge müssen sie auch in einem wissenschaftlichen Erklärungsmodell Beachtung finden. Tötungen, die aus Räuber-Beute-Verhältnissen resultieren, kann jeder Darwinist erklären, über den Sinn innerartlicher Tötungen jedoch bislang nur spekulieren. Aber das bringt das Modell keineswegs zum Einstürzen, da keinerlei Widersprüche generiert werden. Insgesamt macht dieser Themenbereich aber nur einen Mosaikstein im Evolutionsgeschehen aus. Das Phänomen der direkten Tötung ist somit keineswegs zentrales Thema. Die Kritikervision eines beherrschenden Mordszenarios, die Darwins Theorie angeblich bedingen würde, entbehrt jeglicher logischer Grundlage. Die erhobene Anklage, Darwin habe – wenn auch nicht explizit ausgedrückt – kriegerisches Verhalten zum Erfolgsgaranten erhoben, den skrupellosesten Mörder als „fittesten Überlebenskünstler“ gekürt, ist nicht nachzuvollziehen. Hier hat offenbar der unentschuldbare Missbrauch, den das mörderische Regime des Dritten Reiches mit Darwins Lebenswerk begangen hat, das Urteilsvermögen der heutigen Evolutionsgegner verblendet. Wer seinen Blick in die Natur nicht einzig auf dem kleinen Bereich tierischer Tötungsphänomene erstarren lässt, erkennt, wie ein harmonisch kommunikatives Miteinander, ein entwicklungsfähiges Sozialverhalten, unabdingbare Voraussetzung für evolutionären Dauer erfolg sind. Daran ändert auch die Mordlust eines zweibeinigen Emporkömmlings nichts, dessen bisherige irdische Existenz in erdgeschichtlichen Maßstäben allenfalls als Kurzauftritt gewertet werden kann. So ungern es der eine oder andere auch hören mag, aber die Hauptrolle spielen andere, und wenn wir nicht aufpassen, werden wir über ein Statistendasein nie

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