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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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Missverständnissen oder fehlender Detailkenntnis der Darwin’schen Prinzipien beruhen könnten, wird offenbar ausgeschlossen. Auf Lernbereitschaft hofft man hier wohl vergeblich. Worum geht es? Die Entrüstung richtet sich gegen Darwins „Zufallskomponente“. Dass ungerichtete Variationen (heute als Mutationen und Rekombinationen des Erbgutes identifiziert) für geringfügige phänotypische, also im Erscheinungsbild wirksame, Merkmalsänderungen verantwortlich sein sollen, die dann zum Angriffspunkt einer Selektion werden, erregt den Unmut zahlreicher Kritiker. „Blinder Zufall“ als Produzent hochorganisierter biologischer Organismen? Im Grunde sind wir hier gar nicht so weit weg von der früheren Entrüstung über unsere möglicherweise „affigen“ Urahnen. Schon 1952 verglich der englische Embryologe und Genetiker C. H. Waddington die Entwicklung komplexer biologischer Mechanismen durch Selektion zufälliger Variationen, die „durch blinde Glückstreffer“ entstanden seien, mit der Wahrscheinlichkeit einer Gebäudeerrichtung durch wahlloses Aufeinanderwerfen von Ziegelsteinen. In dieser und ähnlichen Metaphern stecken zwei Kardinalfehler, die Missachtung zweier ganz wesentlicher Punkte des Evolutionsmodells.
    1. Das Geringfügigkeitspostulat:
Darwin hat aufgrund seiner umfangreichen Beobachtungen gefolgert: Evolution verläuft nicht in großen umwälzenden Sprüngen, sondern als unregelmäßige Aufeinanderfolge minimaler Veränderungen, von denen jede seinen Trägern einen kleinen Vorteil bringt – die „fitness“ um ein Quäntchen steigert. Erst die Aneinanderreihung vieler Kleinstveränderungen über sehr lange Zeiträume bringt die augenscheinliche Adaptation, die entscheidende Optimierung und Weiterentwicklung. Die Darwin’sche Evolution ist also eine akkumulierende Evolution der kleinen Schritte und keine sprunghafte Megaentwicklung. „
Natura non facit saltus!“ 3
    2. Der Faktor „Zeit“:
Die Zeiträume, die der biologischen Evolution bis heute zur Verfügung standen, sprengen die von uns Menschen fassbaren Dimensionen bei Weitem. Für uns sind lediglich Zeitintervalle vorstellbar, die unser individuelles Dasein bestimmen. Mit Sekunden und Minuten können wir umgehen, und mit zunehmendem Lebensalter bekommen wir ein Gefühl für Jahre und vielleicht Jahrzehnte. Aber mehr als ein Jahrhundert irdischen Daseins – wenn überhaupt – ist kaum einem von uns vergönnt. Und damit sind die Grenzen unserer Begrifflichkeit vorgegeben. Schon eine Zehntelsekunde oder in anderer Richtung der gern von uns verwendete Milleniumsbegriff sind streng genommen für den Menschen rein intellektuelle Vokabeln, denen der gefühlsmäßige Hintergrund fehlt. Aus evolutionärer Sicht hingegen sind solche Zeiträume so vernachlässigbar klein, dass die sichtbare Neubildung abgrenzbarer taxonomischer (systematischer) Einheiten innerhalb derartiger Perioden einer Sensation gleichkäme, die den Lotto-Sechser zum überaus wahrscheinlichen Ereignis erheben würde. Der Begriff der Endlichkeit, der all unser Denken, Handeln und Dasein beschränkt, hat im Evolutionsgeschehen keine restriktive Funktion bzw. ist womöglich gar nicht existent.
    Von der menschlichen Vorstellung von Anfang und Ende müssen wir uns vielleicht frei machen, wenn wir über Evolution nachdenken. Das Erdalter liegt nach heutigen Erkenntnissen bei etwa 4,6 Milliarden Jahren. Das Auftreten der ersten Zelle wird auf drei Milliarden Jahre vor unserer Zeitrechnung datiert. Was über einen derartig langen Zeitraum in einem „experimentierfreudigen“ Milieu in punkto Variantenproduktion erfolgen kann, entzieht sich unserer Vorstellungskraft. Es gab fast unbegrenzte Testmöglichkeiten, Zeit spielte keine Rolle. Der „Evolutionsbaum“ ist ein in alle Richtungen ausufernd gewachsenes Gebilde mit mannigfachen Verästelungen. Und jeder Seitenast musste und muss sich dem Druck der Selektion stellen. Hier wird über sein weiteres Schicksal entschieden – blindes Ende, toleriertes „Durchwurschteln“ oder blühender Erfolg. Ganz sicher gab es unzählige Sackgassen und Fehlversuche – womöglich weit mehr als sinnvolle (bzw. uns Menschen sinnvoll erscheinende) Veränderungen. Aber es gab eben auch die erfolgreichen, die sich vielleicht über eine längere Periode, ein paar Hunderttausend, andere gar einige Millionen Jahre durchgesetzt haben. Dabei kam es immer und immer wieder zu Aufspaltungen und Verästelungen, die Formen hervorbrachten, welche längere

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