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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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keineswegs verschwiegen werden, dass Darwin auch hin und wieder die Umschreibung „war (of nature)“, also den eigentlichen englischen Begriff für „Krieg“ verwendet. Doch ergibt sich aus dem Kontext des Gesamtwerkes sehr deutlich, dass hier nicht von einem Konfrontationskrieg im Sinne eines kapitalen Gefechtes nach (schlechtem) menschlichem Vorbild die Rede ist. Vielmehr geht es um die Auseinandersetzung mit den Naturgewalten, mit den Anforderungen, die von der belebten und unbelebten Umwelt gestellt werden.
    Der nächste Zentralbegriff, in den sich die Kritiker vehement verbeißen, ist die „
fitness“
. Auch hier geht aus Darwins umfangreichen Ausführungen mehr als deutlich hervor, was er gemeint hat: Eignung, Grad oder Qualität der Anpassung, Fähigkeit (zu überleben) sind hier sinnvolle Übersetzungen. Die Kritiker wollen das freilich nicht so einfach hinnehmen und verstricken sich in ein Geflecht von Haarspaltereien. Lang und breit wird ausgeführt, dass
fitness
im Englischen prinzipiell unterschiedliche Bedeutungen habe. Zum einen sei die
Passform
gemeint. Zum anderen könne aber auch die
Eignung
oder die
körperlich-geistige Potenz
beschrieben sein. Daraus ergäbe sich unbedingt Diskussionsbedarf, was Darwin denn nun gemeint habe, als er sein „
survival of the fittest
“ zum Evolutionsprinzip erhob. Habe er die Passform umschreiben wollen, so ergebe der Superlativ nach Meinung der Kritiker keinen Sinn. Ein Schlüssel passe in ein Schloss oder eben nicht. „Tür auf“ oder „Tür zu“ – dazwischen gäbe es nichts. Von mehr oder weniger guter Passform zu sprechen, sei Quatsch. Dass es im menschlichen Leben zum Beispiel auch Schuhe, Oberbekleidung, Farbkombinationen und vieles andere mehr gibt, was besser oder schlechter (zueinander) passt, wo also nicht das Alles-oder-nichts-Prinzip vorherrscht, scheint den Kritikern entgangen zu sein. Noch mehr gilt das für die Beurteilung der Überlebensfähigkeit einer Art in der Natur. Auf die hier gefragten Begabungen – sei es auf der Jagd, bei der Nahrungssuche, dem Wohnungsbau, der Fortpflanzung und Nachwuchspflege, der Tarnung und, und, und – lässt sich das Schloss-Schlüssel-Prinzip nicht anwenden. Hier gibt es eine breite Palette von sehr gut bis ungenügend.
    Wie sieht es mit
Eignung
aus und dem, was wir uns heute in „Muckibude“ und Universität abholen – der
geistig-körperlichen Potenz
? Sind das vielleicht die von Darwin gemeinten evolutionsrelevanten Fitnessparameter? Die nun von den Kritikern gefahrene Strategie lässt sich wirklich nur noch mit plump umschreiben. „The fittest“ sei ein Singular – basta! Daraus ergäbe sich folgende Konsequenz: Wenn nur „the fittest“, d. h. jener geistig-körperlicher Primus, jede Überlebensschlacht gewinnt, hätte sich nach absehbarer Zeit das irdische Leben auf dieses eine Multitalent reduziert: „The winner is the one and only fit organism!“ Wirklich fit könne demnach nur ein einziger Organismus sein, nämlich jener, der übrig bliebe. Die Realität sähe aber bekanntlich anders aus, die Anzahl der Formen und Arten sei ja seit Anbeginn des Lebens ständig gewachsen.
    Wann bitte, liebe Kritiker, hat Darwin jemals ein derart absolutistisches Naturbild mit der Singularisierung des Fitnessbegriffes entworfen? Zum einen ist kein einziges Lebewesen in allen ökologischen Nischen aktiv, sondern nur in einer speziellen. Es tritt also keinesfalls jeder mit jedem in Konkurrenz. Ganz unterschiedliche Fähigkeiten sind gefragt. Ein Marathonläufer lässt sich auch nicht mit einem Gewichtheber vergleichen. Die Frage, wer der bessere Athlet ist, stellt sich nicht, da beide in ganz anderen „Nischen“ unterwegs sind und allenfalls bei der Wahl zum Sportler des Jahres miteinander konkurrieren. So wird auch in der Natur die Fitness stets innerhalb der jeweiligen ökologischen Nische einer Art bewertet. Ein „topfitter“ Wüstenfuchs wäre am Nordpol die absolute Nullnummer. Ein Tiefseefisch muss sich nicht mit einem Elefanten messen. Zudem wissen wir seit dem wissenschaftlichen Vordringen in die molekulare Struktur der Erbsubstanz, dass viele neutrale Mutationen konserviert werden, die vielleicht später einmal evolutionäre Bedeutung erlangen, wenn sich Umweltbedingungen verändern. Eine pyramidal auf einen einzigen superfitten Siegerorganismus zulaufende Entwicklung ist also ein völlig unlogisches Hirngespinst. Niemals hat Darwin behauptet, Selektion sei ein duales Ausschlussverfahren, das

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