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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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Folgerung für die Bewertung des Evolutionsmodells ziehen die Kritiker daraus? Ihrer Ansicht nach lebte Darwin „außer Konkurrenz“, musste nicht an diesem Überlebenskampf teilnehmen, den er aus sicherer Höhe von seinem „Elfenbeinturm“ herab analysierte. Er selbst habe seine Fitness nie unter Beweis stellen müssen, wenn es darum ging, Mitbewerber bei der Beschaffung von Nahrung, Arbeit und Wohnraum zu überflügeln. Folglich müsse man Darwin jegliche Kompetenz absprechen, Gesetzmäßigkeiten des
struggle for life
definieren zu können. Demnach entspräche sein Survival-Gerede dem Vortrag eines „Blinden über die Farben“. So wenig, wie Darwin in die Tiefen eines von Armut geprägten Lebens eintauchen musste, dürfe er nicht einmal als „einäugiger König“ gelten, wenn es darum ginge, die Gesetze des menschlichen Existenzkampfes zu erklären. Schuster, bleib bei deinen Leisten! Aber ist es wirklich so, dass nur derjenige ein guter Schuster sein kann, der am eigenen Leibe verspürt hat, wie schmerzhaft Hühneraugen und Scheuerstellen sind? Muss ein guter Arzt alle die von ihm behandelten Krankheiten selbst durchlitten haben? Nun hat es in der Tat furchtlose Wissenschaftler gegeben, die martialisch genug waren, den eigenen Körper mit all dem zu malträtieren, über dessen Wirkung sie zu forschen geneigt waren. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte etwa die Geschmacksprobe zum Standardtest in der organischen Chemie (nicht von ungefähr waren Chemiker unter den Akademikern die Berufsgruppe mit der geringsten Lebenserwartung). Max von Pettenkofer schluckte 1892 im Selbstversuch Cholerabakterien, weil er nicht an Robert Kochs Erregertheorie glaubte. Um die Kontaktansteckung mit Gelbfieber zu widerlegen, wickelte er sich ein im Schweiß eines Gelbfieberpatienten getränktes Tuch um die eigene Stirn und schlief damit eine ganze Nacht lang. In beiden Fällen kam der „Proband“ im Übrigen schadlos davon. Noch drastischer hatte schon 1802 der erst 18-jährige Medizin-Doktorand Stubbins Ffirth die Übertragbarkeit von Gelbfieber von Mensch zu Mensch untersucht. Damals war noch nicht bekannt, dass Gelbfieber durch ein von verschiedenen Stechmücken übertragenes Virus ausgelöst wird. Stubbins Ffirth glaubte, Erbrochenes eines Gelbfieber-Patienten könne über die Blutbahn die Krankheit auslösen. Kurzum injizierte er sich im Selbstversuch das Erbrochene auf verschiedenen Wegen über Schnitte am Arm, Einträufeln in die Augen, Inhalation der Dämpfe sowie den Verzehr. Als nichts passierte (von einem nur allzu verständlichen, aber harmlosen Unwohlsein abgesehen), probierte er Gleiches noch mit anderen Körperflüssigkeiten eines an Gelbfieber Erkrankten aus. Aber auch Blut Urin, Speichel und Schweiß waren seiner Gesundheit nicht abträglich und bewirkten keine Ansteckung. Die wahren Infektionswege wurden erst ein Jahrhundert später entdeckt. Da es sich um eine Viruserkrankung handelt, ist bis heute nicht geklärt, warum Ffirth sich schadlos hielt. Immerhin brachte ihm seine Waghalsigkeit 1804 den Doktortitel ein. Wer nun glaubt, nur unter den Wissenschaftspionieren gab es solche „Heroen“, der irrt. Erst 1984 wurde in einem spektakulären Selbstversuch das als Risikofaktor für die Entstehung von Magenkrebs eingestufte Bakterium Helicobacter pylori als Verursacher von Magengeschwüren und Magenschleimhautentzündungen (Gastritis) identifiziert. Der Australier Barry Marshall lieferte den endgültigen Nachweis, indem er größere Mengen des Bakteriums schluckte und tatsächlich an einer schweren Gastritis erkrankte. Mit Antibiotika bekam er sie gottlob wieder in den Griff. Gut 20 Jahre später (2005) bescherte ihm sein selbstloser Forscherdrang den Medizin-Nobelpreis, den er sich mit dem Entdecker von Helicobacter pylori, Robin Warren, teilen durfte – eine späte, aber wirkungsvolle Schmerzlinderung.
    Darwin hat sich freilich nicht dem Selbstversuch eines Lebens in Armut mit dem Zwang zu körperlicher „Maloche“ und Unterwürfigkeit unterzogen. Aber kann man ihm deshalb wirklich vorwerfen, „barfüßig“ ein Modell geschustert zu haben, dessen „Druckstellen“ ihm völlig fremd waren, aus dem er sich selbst sozusagen ausschließen konnte? Sicher ist es leicht, bei Sekt und Kaviar über Selters und trocken Brot zu philosophieren – aber hat Darwin das wirklich getan? Hat er nicht vielmehr all seine Möglichkeiten, finanzielle und zeitliche Freiräume, glückliche Umstände (Beagle-Reise),

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