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Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Titel: Darwin und die Götter der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Ian Stewart , Jack Cohen , Erik Simon
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Forschung befasst sich also hauptsächlich damit, diese Ideen weiterzuentwickeln und herauszufinden, ob sie zu etwas Interessantem führen. ›Interessant‹ bedeutet für einen Mathematiker größtenteils: ›Sehe ich Wege, damit weiterzukommen?‹, aber der Prüfstein ist die Frage: ›Welche Probleme löst es?‹ Erst nachdem man eine befriedigende Antwort auf diese Frage bekommen hat, steigen ein paar zähe und pedantische Seelen in den Keller hinab und sorgen für ordentliche Fundamente.
    Die Mathematiker benutzten die Unendlichkeit also lange bevor sie eine Ahnung hatten, wie man gefahrlos damit umgeht. Im Jahre 500 v. Chr. ermittelte Archimedes, der größte griechische Mathematiker und ein aussichtsreicher Bewerber um einen Platz unter den drei besten aller Zeiten und Völker, das Volumen einer Kugel, indem er sie (gedanklich) in unendlich viele unendlich dünne Scheiben zerschnitt und alle Scheiben auf eine Waage legte, um ihr Gesamtvolumen mit dem eines passend geformten anderen Körpers zu vergleichen, dessen Volumen er schon kannte. Nachdem er mit dieser erstaunlichen Methode die Antwort ermittelt hatte, begann er von vorn und fand einen logisch annehmbaren Weg, um zu beweisen, dass er Recht hatte. Aber ohne all das Herumtändeln mit der Unendlichkeit hätte er nicht gewusst, wo er ansetzen soll, und sein logischer Beweis wäre nicht in Gang gekommen.
    Zur Zeit von Leonhard Euler, einem derart fruchtbaren Autor, dass wir ihn als den Terry Pratchett der Mathematik des 18. Jahrhunderts betrachten könnten, machten sich viele der führenden Mathematiker an ›unendlichen Reihen‹ zu schaffen – dem Schüler-Albtraum von einer Summe, die nie endet . Dies ist eine:
    1 + 1/2 + 1/4 + 1/8 + 1/16 + 1/32 + …,
    wobei die drei Punkte bedeuten: ›und immer weiter so‹. Die Mathematiker sind zu dem Schluss gekommen, dass, wenn diese unendliche Summe einen sinnvollen Wert ergibt, dieser Wert genau zwei betragen muss.* [* Um den Grund zu verstehen, muss man die Reihe verdoppeln: 2 + 1 + 1/2 + 1/4 + 1/8 + 1/16 + …, und das ist 2 mehr als die ursprüngliche Summe. Welche Zahl erhöht sich um 2, wenn man sie verdoppelt? Nur eine Zahl, und zwar die 2.] Wenn man jedoch nach irgendeinem endlichen Schritt aufhört, erreicht man geringfügig weniger als zwei. Aber der Betrag, um den die Summe geringer als zwei ist, wird immer kleiner. Man kann sagen, dass sich die Summe an die richtige Antwort heranschleicht , ohne sie wirklich zu erreichen; aber man kann die Differenz dorthin so klein werden lassen, wie man will, indem man genug Glieder addiert.
    Erinnert Sie das an etwas? Es sieht verdächtig nach einem von Zenons/Xenos Paradoxen aus. Auf diese Weise schleicht sich der Pfeil an sein Opfer an, Achilles an die Schildkröte. Es ist die Methode, unendlich viele Dinge in einer endlichen Zeit zu tun. Man tut das Erste, eine Minute danach tut man das Zweite, eine halbe Minute später das Dritte, eine Viertelminute danach das Vierte … und so weiter. Nach zwei Minuten hat man unendlich viele Dinge getan.
    Die Erkenntnis, dass unendliche Summen durchaus eine sinnvolle Bedeutung haben können, ist erst der Anfang. Damit sind all die Paradoxe noch nicht abgeschafft. Größtenteils werden sie davon noch verschärft. Die Mathematiker haben herausgefunden, dass manche Unendlichkeiten harmlos sind, andere nicht.
    Das einzige Problem, welches nach dieser brillanten Erkenntnis blieb, lautete: Wie findet man den Unterschied? Die Antwort lautet, dass ein Konzept der Unendlichkeit, welches nicht zu Widersprüchen führt, gefahrlos verwendet werden kann, andere nicht. Die Aufgabe besteht darin, jeder ›Unendlichkeit‹, die einen interessiert, eine sinnvolle Bedeutung zu geben. Man kann nicht einfach annehmen, sie werde schon von selbst sinnvoll sein.
    Im Lauf des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. haben die Mathematiker viele Vorstellungen von der ›Unendlichkeit‹ entwickelt, die allesamt potentiell sind. In der projektiven Geometrie war der ›Unendlichkeitspunkt‹ der Ort, wo sich zwei parallele Geraden schneiden: Der Trick bestand darin, sie perspektivisch zu sehen wie Eisenbahngleise, die zum Horizont hin verlaufen und die sich am Horizont zu treffen scheinen. Wenn die Züge jedoch über die Ebene fahren, ist der Horizont unendlich weit entfernt und gehört eigentlich überhaupt nicht zur Ebene – er ist eine optische Täuschung. Der Punkt ›in‹ der Unendlichkeit wird also durch den Prozess definiert, unendlich lange

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