Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
entfachte ein kleines Feuer. Guilford machte sich nützlich, indem er Windbruch sammelte, während Preston Finch vermummt und verbittert beim Feuer hockte und nachlegte. Die Wollschlangen drängten sich zusammen, ihr Winterpelz glitzerte, Atem dampfte aus den kreisrunden Nüstern.
    Die Mahlzeit bestand aus einem frisch erlegten Nachtfalken, ausgenommen und kohlschwarz gegrillt, sowie ein paar Streifen gedörrtes Wollschlangenfleisch aus Tom Comptons Tornister. Zwischen zwei Bäumen improvisierte der Grenzer aus Fellen und Salbeikieferästen einen überdachten Windschutz. Aus dem jüngsten Überfall hatte er etliche Felle, eine Pistole und drei Packtiere bergen können. Das war alles, was von der Finch-Expedition übrig war.
    Guilford aß nur wenig. Er wollte schlafen, schlafen, schlafen – die chronische Unterernährung ausschlafen, die dreitägige Unterkühlung im Schacht, Sullivans Tod, die porzellanweißen Erfrierungen an Zehen und Fingerspitzen. Aber vorher wollte er genau wissen, wie schlimm die Lage wirklich war. Und wie die anderen umgekommen waren.
    Er fragte den Grenzer.
    »Als ich kam, war schon alles vorbei«, sagte Tom. »Die Spuren sagen, die Angreifer kamen von Norden. Bewaffnete Männer, zehn oder fünfzehn, vielleicht angelockt durch Digbys Herdfeuer, wer weiß. Sie müssen schießend hereingekommen sein. Alle waren tot bis auf Finch, der sich draußen im Stall versteckte. Die Banditen ließen die Wollschlangen zurück – sie hatten selbst welche. Und einen Mann mit zerschossenen Beinen, er konnte nicht laufen.«
    »Partisanen?«, fragte Guilford.
    Der Grenzer schüttelte den Kopf. »Der mit den zerschossenen Beinen war jedenfalls keiner.«
    »Sie haben mit ihm gesprochen?«
    »Nicht viel. Er konnte keinen Schritt gehen. Beide Beine total kaputt und dann hat er noch Bekanntschaft mit meinem Messer gemacht, als er aufsässig wurde.«
    »Jesus, Tom!«
    »Tja, Sie haben nicht gesehen, was sie mit Diggs und Farr und Robertson und Donner gemacht haben. Das sind keine Menschen.«
    Finch sah ruckartig auf, hohläugig, bestürzt.
    »Weiter«, sagte Guilford.
    »Nein, das Miststück war kein Partisan, die hören sich anders an. Verflucht, ich habe mit Partisanen gezecht. Das sind hauptsächlich französische oder italienische Heimkehrer, die sich gerne besaufen, ihre Fahne hissen und ab und zu auf amerikanische Kolonisten ballern. Die richtigen Partisanen sind Piraten, bewaffnete Händler, die schnappen sich eine knarrende, alte Fregatte, klauen die Ladung und nennen es Einfuhrzoll und verjubeln das Geld in irgendeinem Puff am Flussufer. Die einzigen Partisanen, die man rheinauf zu Gesicht kriegt, sind illegale Minenbetreiber, die politische Motive haben.
    Dieser Bursche war Amerikaner. Angeblich in Jeffersonville angeworben, um Jagd auf die Finch-Expedition zu machen. Kopfgeldjäger und gut bezahlt, wie er meinte.«
    »Hat er gesagt, wer sie bezahlt?«
    »Er fiel leider in Ohnmacht, nein. Und dann hatte ich keine Gelegenheit mehr. Musste mich um Finch kümmern, und um Sie und Sullivan im Schacht. Hatte vor, den Hundesohn bei Tageslicht auf einen Schlitten zu binden und mitzuschleppen.« Der Grenzer holte tief Luft. »Aber er war auf und davon.«
    »Wie das?«
    »Ich hab ihn allein gelassen, um die Tiere anzuschirren. Na ja, genau genommen nicht allein – Finch war bei ihm, auch wenn das wenig ändert. Und als ich zurückkam, war er fort. Weggelaufen.«
    »Ich denke, er war bewusstlos. Er konnte doch gar nicht laufen?«
    »War er und seine Beine waren eine einzige blutige Angelegenheit, zwei, drei Knochenbrüche mindestens. Das kann man nicht vortäuschen. Aber als ich zurückkam, war er fort. Er hinterließ Fußabdrücke. Wenn ich sage, er ist gelaufen, dann meine ich nicht gegangen. Er ist gerannt wie ein Hase, ab in die Ruinen. Ich hätte ihn aufgespürt, aber es gab Wichtigeres.«
    »Auf den ersten Blick«, sagte Guilford vorsichtig, »ist das absolut unmöglich.«
    »Auf den ersten Blick ist das totaler Quatsch, aber was ich gesehen habe, habe ich gesehen.«
    »Sie sagen, Finch war bei ihm?«
    Die Runzeln auf Toms Stirn wurden tiefer, in der Höhle des reifbedeckten Bartes zeichnete sich ein Zug von Unzufriedenheit ab. »Finch war bei ihm, wollte aber nichts dazu sagen.«
    Guilford wandte sich an den Geologen. Alle Unbilden, die die Expedition seit Gillvanys Tod erlitten hatte, standen Finch ins Gesicht geschrieben, ganz zu schweigen von der Demütigung eines Mannes, der das Kommando verloren hatte –

Weitere Kostenlose Bücher