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Das 2. Gesicht

Das 2. Gesicht

Titel: Das 2. Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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Zeit“, sagte ich. Wieso sollte ich ihn langweilen? Aber er nahm mich bei der Hand und zog mich in die Boutique. Er sagte der Verkäuferin, dass seine Frau unbedingt diesen Hosenanzug anprobieren müsse. Ich konnte mich ja schlecht weigern. Natürlich war ich rot geworden, als er „meine Frau“ gesagt hatte. Ich spürte, mehr als dass ich es sah, dass George feixte.
    In der Umkleidekabine war ich schweißgebadet. Ich wusste nicht, wie ich mich aus der Situation herauswinden sollte. Also zog ich den Hosenanzug an, er stand mir wirklich ausgezeichnet. Ich trat vor die Umkleidekabine und sah, wie George interessiert in den Blusen herumsuchte. Er schaute mich an, seine Augen wurden ganz weich und er sagte: „Wusste ich doch, dass dir das steht.“ Und zur Verkäuferin gerichtet: „Bitte, packen Sie es ein.“
    Ich wollte protestieren, dass ich mir diesen Hosenanzug gar nicht leisten konnte. Auf meinem Konto herrschte wie immer totale Ebbe. George legte seine Kreditkarte hin. Wow.
    Als wir den Laden verlassen hatten, schimpfte ich mit ihm. George lachte.
    „Shut up, Engelchen“, sagte er nur. „Engelchen“ nannte er mich jetzt immer öfter.
    Es war immer noch sehr warm für September. Wir setzten uns in eine Eisdiele und ließen uns riesige Eisbecher mit einem kleinen gemischten Obstsalat als Dekoration kommen. Seine stahlgrauen Augen waren hinter einer schwarzen Sonnenbrille versteckt. Er schien die Fußgänger zu beobachten, die sich von Geschäft zu Geschäft bewegten, beladen mit Einkaufstüten, Rucksäcken und Kleinkindern. Ich traute mich nichts mehr zu sagen. Die Sache mit dem Hosenanzug war mir ziemlich peinlich.
    „Willst du Kinder haben?“, fragte er mich.
    Was für eine Frage. Wollte nicht jede Frau Kinder haben?
    „Ja, klar, später“, sagte ich. Er musterte mich durch seine schwarze Sonnenbrille. Ich fühlte seinen Blick auf meiner Haut prickeln. Am liebsten hätte ich gesagt: „Ja, selbstverständlich will ich Kinder von dir, und zwar so viele wie möglich.“ Aber ich sagte es natürlich nicht. Doch in dem Moment, in dem ich es gedacht hatte, lächelte er. Hatte er meinen Gedanken erraten? Ich fürchte, dass ich ein bisschen rot wurde. Also lenkte ich ab.
    „Willst du das Goethehaus sehen?“, fragte ich.
    „Sicher“, meinte er.
    Wir schlenderten zum Goethehaus, das er dann aber doch nicht von innen sehen wollte. Es waren ihm einfach zu viele Touristen da. Dafür wollte er nun unbedingt mit mir im „Gasthaus zum Weißen Schwan“ essen gehen.
    „Was soll ich essen?“, fragte er.
    „Gekochtes Rindfleisch mit Frankfurter Grüne Sauce und Rote-Beete-Salat“, empfahl ich. „Das war Goethes Lieblingsessen.“
    Obwohl ich immer das Gefühl hatte, dass J.R. mich für eine dumme Gans hielt, hatte sich inzwischen unser Verhältnis so eingepegelt, dass wir zu dritt ganz ungezwungen miteinander umgingen. Sobald ich mit George allein war, war es mit der Ungezwungenheit vorbei. Ich hatte mich für den gebratenen Zander entschieden, aber ich bekam kaum einen Bissen runter. George hatte, trotz des riesigen Eisbechers, einen gesunden Appetit. Er verschlang das Rindfleisch in Nullkommanichts.
    „Du isst sehr wenig, Julia, du bist dünn.“
    Verdammt, gab es irgendetwas, was er über mich sagen konnte, bei dem ich nicht rot wurde? Ich hatte verstanden, ja, ich war zu dünn, mein Busen war zu klein, meine Beine zu kurz.
    „Ja, ich bin zu dünn“, sagte ich.
    „Ich habe nicht gesagt, dass du zu dünn bist. Ich mag dich, so wie du bist.“
    Jetzt wurde ich erst recht flammend rot. George schaute mich aus seinen unergründlichen grauen Augen an und sagte: „Kein Grund, rot zu werden.“
    Was Schlimmeres hätte er nicht sagen können? Natürlich ärgerte ich mich über mich selbst, weil noch mehr Röte in mein Gesicht schoss, aber ich konnte das nicht kontrollieren. Meine Augen brannten und ich hatte Angst, dass ich gleich anfangen würde zu heulen. George legte seine Hand auf meine Hand.
    „Julia, eigentlich bist du ganz nett.“
    Die Hand auf meiner Hand sagte mir aber etwas anderes als ganz nett, denn sie brannte wie Feuer. Ich sackte innerlich in mich zusammen. Wann würde dieses Essen endlich vorbei sein? Es konnte nicht mehr lange dauern, denn wir sollten um sieben in der Buchhandlung sein. Anstatt meinem Impuls zu folgen und wegzulaufen, schaute ich angelegentlich auf die Uhr.
    „Ich glaube, wir sollten …“
    Nach diesem einen Ausflug zu zweit vermied ich jede Art von Tête-à-Tête mit

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