Das Aktmodell
tief ein.
Das wunderschöne Mädchen lag auf dem Boden, bewegungslos. Sie war aus Fleisch und Blut.
Und sie war nackt. Der blasse Schimmer ihrer Haut entzückte ihn, ihr Gesicht verzauberte ihn, ihre Brüste wurden von ihrem Arm nach vorn gedrückt, und eine Hand lag so zwischen ihren Schenkeln, als ob sie ihn dazu auffordern wollte, ihre süße Frucht zu verwöhnen. Die Perfektion ihrer schmalen Hüften und ihrer langen Beine entzückten sein künstlerisches Auge. Er konnte sich an ihr nicht sattsehen.
Seltsam, als ob sich eine unsichtbare Hand auf ihn gelegt hätte, konnte er sich auf nichts anderes konzentrieren als auf diese Rothaarige. Nicht auf das Modell, das oben in dem kleinen Studio auf ihn wartete, nicht auf sein unvollendetes Bild, nicht einmal auf sein Verlangen nach mehr Absinth. Er war nach unten gerannt, um seinen Durst mit diesem grünen Likör zu stillen, als diese sonderbaren Lichtblitze ihn in dieses Zimmer zogen.
Dann hatte er sie erblickt.
Nichts anderes war mehr von Bedeutung.
Er atmete tief ein, und der Hauch ihres erotischen Parfums umfing ihn für einen sinnlichen Moment so real, dass seine Hand zu zittern begann, als er den Puls an ihrem Hals fühlte. Seine dunklen blauen Augen weiteten sich. Ja, das Blut pochte noch in ihren Adern, allerdings war ihre Haut so heiß, als ob eine züngelnde Flamme über ihren Körper tanzte, ohne ihn zu verbrennen. Er konnte sich nicht zurückhalten, ihr Gesicht zu berühren, ihre Lippen, ihre Brüste. Das Verlangen, ihre aufgerichteten Brustwarzen zwischen seinen flinken Fingern zu drehen, erhitzte seine Lenden. Er sehnte sich danach, sie zu lecken und an ihnen zu knabbern. Er stöhnte und wünschte sich, seinen Kopf in ihrem porzellanweißen Fleisch zu vergraben und ihren weiblichen Duft einzuatmen. Süß und stechend. Erotisch.
Er musste sie malen. Unbedingt.
Er schloss seine Augen in ekstatischer Folter. Der Wunsch, diese schöne Rothaarige zu berühren, hatte ihn aus seiner depressiven Stimmung gezogen. Davor hatte er melancholisch in seinem Studio gesessen, in sich versunken und still, den Kopf auf die Brust gesunken, die Haare wild ins Gesicht hängend, sich mit Absinth betrinkend. Jede Nacht saß er so da und verfluchte die Kunstszene, weil sie sein Genie nicht erkannte.
Am späten Nachmittag hatte er sich aus seinem Rausch aufgerafft und war in den Louvre gegangen, um die Werke von Delacroix, Poussin und den holländischen Meistern des siebzehnten Jahrhunderts zu studieren. Das war immer eine willkommene Entspannung, wenn die Kopfschmerzen und Albträume sein Hirn marterten und er seinen Pinsel nicht mehr länger ruhig halten konnte.
Anschließend war er in sein enges Studio im Quartier Marais zurückgekehrt, im Haus der Comtesse, seiner einstigen Geliebten. Er hatte seine Farben vorbereitet, aber nichts geschah. Überhaupt nichts. Sein kreativer Drang war wie tot. Er konnte nicht mehr in die hintersten Ecken seines Geistes vordringen und die unendliche Weite seiner Vorstellungskraft entdecken. Dieses mystische Gefühl, das es ihm ermöglichte, seine Gefühle auf die Leinwand zu bringen. Aber er würde nicht aufgeben. Er konnte nicht.
Er sog den Atem ein, eine plötzliche Sehnsucht nach dem Geruch von Farbe und dem Geräusch flinker Pinselstriche, die in sein Ohr flüsterten, überfiel ihn. Mit gespenstischer Klarheit formte sich in seinem Geist das wunderschöne Bild der Rothaarigen, und er sah die kräftigen Farben bereits vor sich auf der Leinwand.
Rot. Blau. Gelb. Anstößige Farben, leidenschaftliche Farben. Lebendige Farben, die den Moment einfingen.
Sein Herz schlug schneller, ein zarter Schleier legte sich über seinen logischen Verstand, der Schleier des Wahnsinns. Er begleitete ihn oft in seiner Kunst. Einerseits kämpfte er darum, genug Bilder zu verkaufen, damit er sich neue Farben leisten konnte. Andererseits versuchte er doch vor allem ein Gefühl, einen Gedanken oder ein Bedürfnis auf der Leinwand auszudrücken.
Konnte nicht Hoffnung durch einen Stern am Himmel ausgedrückt werden? Der Hunger einer Seele nach Liebe durch einen leuchtenden Sonnenuntergang? Die Schönheit aller Frauen durch die strahlenden Augen einer einzigen Frau?
Er war sich sicher, diese eine Frau in der Rothaarigen gefunden zu haben.
Wie war sie zu ihm gekommen? Sie war hier in seinem Zimmer, dieses verführerische Geschöpf der Nacht. Und da es so war, musste sie eine Anhängerin des Okkulten sein, geschult in schwarzer Magie. Er berauschte sich
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