Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
Immunität geschützt ist.«
»Wie bitte?«, fragte er ungläubig und lehnte sich über den Schreibtisch. Dann straffte er wieder seinen Rücken und rollte seine feuchte Zigarre im Mund hin und her. Wenn Haderlein mit solch einem Ansinnen an ihn herantrat, war die Ermittlung sicher nicht grundlos, dessen war er sich sicher. Trotzdem galt es, vorsichtig zu sein.
»Gegen wen?«, wollte er wissen.
»Den bayerischen Umweltminister Kolonat Schleycher.«
Fidibus zeigte keine äußerliche Regung. Er legte nur seine Zigarre weg und faltete die Hände vor sich auf der Glasplatte des Schreibtischs. »Haderlein, drei Dinge«, äußerte sich Fidibus in selten konzentrierter Weise. »Ich muss Ihnen ja wohl erstens nicht sagen, dass das bitte mit absoluter Diskretion zu erfolgen hat, weil wir zweitens hier schon genug Ärger mit der Presse haben. Also seien Sie bitte so gut und nehmen das drittens selbst in die Hand. Überlassen Sie diese delikate Geschichte nicht etwa Herrn Schmitt. Eine Immunitätsaufhebung ist eine äußerst heikle Sache. Da braucht der Staatsanwalt schon etwas mehr als Wahrscheinlichkeitsrechnungen, Haderlein. Haben wir uns verstanden?«
Haderlein nickte. Er hatte bekommen, was er wollte.
*
Lagerfeld schlürfte gerade den Milchschaum von seinem Kaffee. Ute von Heesen blickte belustigt hinter ihrem Cappuccino hervor und sagte dann völlig unvermittelt: »Fünfunddreißig.«
»Wie bitte?« Der Kommissar stellte seine Tasse zurück auf den Schreibtisch und blickte sie hilflos an.
»Fünfunddreißig«, wiederholte sie mit ernsthafter Miene. »Sie wollten doch das letzte Mal wissen, wie alt ich bin.«
Es war mal wieder so weit: Lagerfelds Haupt änderte sich in Richtung des roten Spektralfarbenbereichs. »Ähem, ach so, ja …«, stotterte er.
»Ich finde es übrigens gut, dass Sie Ihren Modeberater gewechselt haben«, lobte sie schnell, um die für ihn unerquickliche Situation zu beenden.
Na endlich. Er strahlte über das ganze Gesicht. Es war ihr also doch aufgefallen. Ha! Jetzt war die Gelegenheit, um mit dem zweiten Schritt seines ausgeklügelten Plans fortzufahren.
»Nun, liebe Ute, ich darf doch Ute sagen«, faselte er in durchsichtiger Pseudocharmantheit, »nun, ich habe am Samstag dienstfrei, und da habe ich gedacht, wenn Sie … äh, du … äh … also noch an dem gemeinsamen Bier interessiert wärst, könnten wir doch am Samstagabend … weil, es ist doch nämlich Sandkerwa in Bamberg …« Irgendwie wurde Lagefeld schon wieder heiß, und er vermisste schmerzlich seine Sonnenbrille.
Ute von Heesen platzte fast bei seinem bemitleidenswerten Anblick. Trotzdem schaffte sie es noch, relativ formal zu wirken, und beschloss, ihn erst mal etwas hinzuhalten.
»Sie meinen diese übervölkerte Massensauna in der Altstadt?«, fragte sie, ohne auf seine Duzerei einzugehen.
Lagerfeld zupfte mit einem Zeigefinger heftig an seinem Hemdkragen herum. Der war doch vorhin noch signifikant weiter gewesen.
»Nun … äh … du, Sie … ich meine, wir könnten ja auch woanders hingehen und müssen nicht, also nicht unbedingt …«
Sie konnte einfach nicht mehr. Lauthals fing sie zu lachen an, und im gleichen Moment setzte sich ihr Bürostuhl kreisförmig in Bewegung. In Sturzbächen liefen ihr die Tränen das Gesicht hinunter.
Lagerfeld wusste nicht genau, ob er bleiben oder die Flucht ergreifen sollte. Seine Gesichtsfarbe hatte sich für ein leichtes Purpur entschieden, und die Körpertemperatur war auf Dampfbadniveau gestiegen. Dabei hatte es doch so gut angefangen …
Mit letzter Kraft zog Ute von Heesen ein Kleenex aus der Schachtel auf ihrem Schreibtisch hervor, tupfte sich das nasse Gesicht ab, musste aber sofort wieder das Lachen anfangen, als sie in das verstörte Gesicht von Lagerfeld blickte. Ein neutraler Beobachter hätte den Eindruck gewinnen können, dass das junge Kommissarengehirn gerade damit beschäftigt war, Radiowellen zu empfangen und die Sender zu sortieren. Anscheinend eine anstrengende Aufgabe.
»Okay, okay, okay«, keuchte Ute von Heesen vollkommen außer Atem. »Ich mach dir jetzt einen Vorschlag, Bernd. Du holst mich am Samstag um acht vor dem Bahnhof ab und bringst mich nach der Veranstaltung auch wieder hierher zurück. Ich habe keine Lust, danach noch Auto zu fahren. Sandkerwa ist vollkommen okay, ich liebe das Getümmel. Falls was dazwischenkommt, ruf mich bitte an. So, und jetzt muss ich wieder an die Arbeit.« Und dann fing sie schon wieder an zu kichern.
Lagerfeld
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