Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
Gesicht hinter dem Schreibtisch auf und anschließend der Rest des »Engels von Heesen«. Dieser hielt eine blaue Plastikwanne in den Händen, die er erst einmal auf den Schreibtisch stellte, um sich den Hinterkopf zu befühlen. »Ist das eine Art, sich so anzuschleichen, Herr Kommissar?« Der Engel blickte ihn vorwurfsvoll an.
»Aber nein. Ich wollte einfach nicht mit der Tür ins Haus fallen und eine dezentere Erscheinung abgeben als das letzte Mal.« Dabei zupfte er bedeutungsvoll an seiner Leihjacke und wartete auf eine stilistische Anerkennung, die aber nicht kam.
»Na ja, wenn Sie schon mal hier sind, dann können Sie mir ja gleich beim Ausräumen helfen. Eine schreckliche Geschichte. In was ist Herr Graetzke da bloß hineingeraten?« Ihre Miene wurde ernst.
»Das wissen wir leider noch nicht«, erklärte Lagerfeld wichtig. »Aber wir werden es natürlich herausfinden, darauf können Sie sich verlassen. Ich muss Sie übrigens bitten, die persönlichen Sachen von Hubertus Graetzke zuerst einmal mir zu überlassen. Sie müssen auf der Dienststelle noch untersucht werden.«
»Ach du lieber Himmel, ja natürlich. Daran hatte ich ja gar nicht gedacht.« Impulsiv trat sie einen Schritt von der blauen Kiste zurück.
»Dann nehme ich sie später mit, okay?«, versicherte sich Lagerfeld.
»Ja, natürlich. Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte sie. Ihr war jetzt nach einer Pause.
»Gern«, erwiderte der Kommissar, während er die letzten Sachen von Graetzke einräumte, und lächelte sie möglichst unverschämt an.
Sie räusperte sich verlegen. »Ich lass den Kaffee in mein Büro bringen und, ähm, warte dann mal dort«, sagte sie und verließ dann den Raum.
Lagerfeld grinste in sich hinein und warf alles achtlos in die Kiste. Seine Gedanken waren mehr bei Frau von Heesen als beim alten Graetzke. Ach, war das schön, diesmal in der Offensive zu sein.
Als er fertig war, ließ er die Kiste auf dem Schreibtisch stehen und eilte zum Engelsbüro. Die Namensgeberin saß gerade mit ungläubigem Gesichtsausdruck am Schreibtisch und telefonierte. Als sie ihn erblickte, hörte er gerade noch ein erstauntes »Ist nicht wahr?«, dann legte sie auf. Sie grinste schon wieder so komisch wie beim letzten Mal. Sehr verdächtig, fand Lagerfeld. Provisorisch klopfte er noch einmal gegen den Türrahmen und grinste zurück.
»Herein«, sagte sie lachend, lehnte sich in ihrem Bürostuhl nach hinten und schlug endlich wieder die Beine übereinander.
*
Honeypenny legte den Telefonhörer auf die Gabel und rief triumphierend zu Haderlein hinüber: »Ich weiß jetzt, was das Wort ›Kurwa‹ bedeutet, das die Frau Rast sich gemerkt hat, als sie dem einen Killertypen in den Finger gebissen hat.«
Haderlein hob den Kopf. Er war so in Gedanken versunken, dass er sie fast überhört hätte. Aber anscheinend war Honeypennys Ärger verraucht, sie hörte sich auf jeden Fall gar nicht mehr giftig an.
»Hervorragend – und?«, wollte Haderlein gespannt wissen.
»Das Wort ist Russisch und bedeutet ›Hure‹.« Sie bedachte ihren Hauptkommissar mit einem bedeutungsvollen, weiblichen Blick. Haderlein tat so, als würde er ihn nicht bemerken.
»Russisch also«, überlegte er laut. Er dachte kurz nach und ging dann eilends zu seinem Chef ins Büro.
»Sie haben mir doch freie Hand für die Sonderkommission gelassen?«, fiel er mit der Tür ins Haus, ohne sich auf die üblichen Begrüßungsformalitäten einzulassen.
Fidibus schaute erschrocken von einem Bericht auf, den er gerade kontrollierte. »Ja, ja, mein lieber Haderlein, jetzt setzen Sie sich doch erst einmal. Nicht das Kind mit dem Hammer ausschütten, mein Lieber. Wen brauchen Sie denn?«
»Jemanden, der sich mit Russen auskennt. Am besten Mafiaszene, Auftragsmörder, Drogenhandel, einfach alles, was infrage kommt.« Der Hauptkommissar schaute seinen Chef abwartend an.
In diesem Moment wich sämtliche Schusseligkeit von Robert Suckfüll. Er hatte eine konkrete Aufgabenstellung, ein Problem, er war in seinem Element. So eine Situation hatte nichts mit der hinderlichen Alltagswirklichkeit zu tun, die meistens dann auftrat, wenn man vergessen hatte, Alkohol zu trinken. Er brauchte nur kurz zu überlegen.
»Da habe ich den absolut richtigen Mann für Sie, Haderlein. Ich muss allerdings erst die Kollegen in Nürnberg anrufen, ob sie ihn freigeben. Sonst noch was auf dem Herzen?«
Haderlein nickte. »Wir werden mit ziemlicher Sicherheit gegen eine Person ermitteln müssen, die durch
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