Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
heute Nacht eine Doppelschicht zu erledigen. Dieser Wirt war eine leichte Übung gewesen, das hatte ihm sein Auftraggeber schon prophezeit. Was für ein erbärmlicher Mensch dieser Brauer gewesen war. Wie konnte man nur so um sein Leben winseln? Verächtlich spuckte er aus dem Fenster. Nun ja, ihm konnte das letztendlich egal sein. Er hatte sich nur um seinen Auftrag zu kümmern. Es blieben noch zwei Objekte übrig, von denen eins das Buch haben musste. In dieser Nacht würde er sich noch demjenigen zuwenden, der nur wenige Kilometer entfernt wohnte. Bis Kronach war es nur ein Katzensprung.
*
Als Haderlein auf der Dienststelle eintraf, herrschte dort schon reges Treiben. Honeypenny kam mit dem Telefon in der Hand auf ihn zugelaufen, und ihre Lippen formten ein lautloses »Siebenstädter«, während sie mit einer Hand die Sprechmuschel abdeckte.
Haderlein stöhnte auf, der hatte ihm gerade noch gefehlt. Genervt griff er sich das Telefon.
»Was wollen Sie, Siebenstädter?«, raunzte er ihn unfreundlich an. »Sie arbeiten doch um diese Zeit offiziell gar nicht mehr. Gerichtsmediziner haben doch amtliche Arbeitszeiten, oder etwa nicht?«
Siebenstädter beschloss, die nächtliche Provokation mit Gelassenheit zu ertragen. Schließlich war er in puncto Erkenntnis weit im Vorteil. »Also«, erwiderte er mit außerordentlicher Ruhe, »ich wollte Ihnen nur mitteilen, Herr Kommissar, dass ich hier zwei weitere Leichen aus Hof habe, die vom selben Täter erschossen wurden wie Ihr verbrannter Bösewicht, den Sie mir geschickt haben.«
Haderlein brauchte einige Sekunden, um diese Nachricht zu verdauen. »Sind Sie ganz sicher, Siebenstädter?«, fragte er gefasst.
»Völlig sicher«, erwiderte dieser nicht ohne eine gehörige Portion Arroganz in der Stimme. »Ihr Fall hat sich um zwei weitere Abgelebte vermehrt, Herr Kommissar. Ich bin dafür, dass Sie morgen hier vorbeikommen, dann kann ich Ihnen alles genauestens erläutern.«
Haderlein brauchte nicht lange zu überlegen. »Sind Ihre Beweise gerichtsfest, Siebenstädter?«
»Selbstverständlich«, kam es beleidigt zurück.
»Dann sind wir um circa zwölf Uhr bei Ihnen.« Haderlein legte auf, ohne die Antwort abzuwarten.
Sofort klingelte das Telefon erneut. Haderlein verdrehte die Augen. Er war jetzt wirklich gestresst und hatte keine Zeit mehr für gerichtsmedizinisches Geplänkel. »Siebenstädter, Sie können mir für heute den Buckel runterrutschen!«, fauchte er ins Telefon.
»Äh, bin ich richtig bei der Kriminalpolizei in Bamberg?«, ertönte aus dem Hörer eine dunkle Stimme, die so gar nicht zum Pathologen passte.
»Oh, Entschuldigung, ich habe Sie verwechselt. Bitte verzeihen Sie. Kriminalhauptkommissar Haderlein am Apparat.«
»Sind Sie der, der die Ermittlungen im Fall Rast leitet?«, fragte die Stimme.
»Ja, der bin ich«, antwortete Haderlein. »Um was geht’s denn?«
Mit einem Auge schielte er schon ins Büro. Jeden Tag riefen hier etliche Spinner an, die sich wichtigmachen wollten. Wahrscheinlich zählte auch der Anrufer dazu. Um diese Uhrzeit war er sicherlich auch noch betrunken. »Haben Sie irgendwelche Hinweise?«, fragte er ungeduldig.
»Sie müssen sich um jemanden in Kulmbach kümmern, er ist in allerhöchster Gefahr.« Die Stimme klang unaufgeregt und souverän.
Haderlein stellten sich die Nackenhaare auf. Sofort schaltete er auf Freisprechen, sodass alle mithören konnten. »Können Sie mir den Namen nennen?«, fragte er so unbefangen wie möglich.
»Der Mann heißt Pankraz Peulendorfer und leitet die Kommunbräu unterhalb der Plassenburg. Bitte beeilen Sie sich, wahrscheinlich schwebt er in Lebensgefahr!« Jetzt wurde der Mann drängender.
Haderlein bekam von Honeypenny eine Aktennotiz gereicht. Tatsächlich. Das gerade aufgefundene Mordopfer in Kulmbach hieß Pankraz Peulendorfer, Wirt der besagten Brauerei. Haderlein stockte kurzfristig der Atem. Er hatte hier jemanden in der Leitung, der ganz offensichtlich mehr über diesen Fall wusste. Auf gar keinen Fall durfte er auflegen. Ehrlichkeit schien ihm die beste aller Varianten zu sein, um weiter mit dem Mann zu reden.
»Ihr Anruf kommt leider zu spät. Pankraz Peulendorfer wurde heute Abend erschossen aufgefunden … Hallo? Sind Sie noch dran?« Haderlein wartete angespannt.
»Ja«, kam schließlich eine leise Antwort.
»Was ist mit Ihnen? Sind Sie auch in Gefahr? Wenn ja, wäre es besser, Sie würden mir Ihren Namen sagen, dann können wir uns um Sie kümmern.« Es kam auf einen
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