Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
aus, der die ganze Zeit über die Personalien aufgenommen hatte.
Bei Haderlein klingelte irgendwas. Den Namen hatte er doch heute schon mal irgendwo gehört? Genau! »Joe Scheidmantel? Der Joe Scheidmantel, der mit einem Anglerfreund eine tätliche Auseinandersetzung hatte?«, konfrontierte der Hauptkommissar den Rabauken mit seinem Wissen.
»Genau der«, rief Scheidmantel in einer Mischung aus Wut und Stolz. »Und der hatte es auch verdient, der Drecksack!«
»Aber Joe hat sich entschuldigt, und die Sache ist schon längst vom Tisch«, warf Helmreich beschwichtigend ein.
Haderlein erhob sich und blickte erneut in die Runde. »Und Herr Scheidmantel war natürlich auch die ganze Nacht hier. Das kann sicherlich auch jeder bezeugen?«, fragte er rhetorisch, während er Scheidmantel aus den Augenwinkeln beobachtete. Doch zu seiner allergrößten Überraschung fiel das Abstimmungsergebnis diesmal nicht wie erwartet aus. Erst erhoben sich ein paar Hände, die dann wieder nach unten gingen, anschließend gab es Gemurmel und gedämpfte Diskussionen.
Verunsichert blickte Fritz Helmreich Joe Scheidmantel an. »Also, ich kann auf jeden Fall bezeugen, dass der Joe seit heute früh um circa acht Uhr hier ist.«
»Um diese Zeit war Edwin Rast schon lange tot«, wandte Haderlein ein. »Also, wo waren Sie die ganze Nacht, Herr Scheidmantel?«
Der Angesprochene war kreidebleich geworden. »Na, daheim«, stotterte er unsicher.
»Soso, daheim«, echote Haderlein spöttisch. »Und was haben Sie daheim die ganze Nacht gemacht?«
»Na, nichts«, verteidigte sich Scheidmantel mit leiser Stimme. Flehend blickte er Fritz Helmreich an, der sich aber nicht rührte.
»Kann das Ihre Freundin bezeugen?«, legte Haderlein im gleichen Verhörton in Richtung Doris Peter nach. Seine Augen hatten sich inzwischen zu Schlitzen verengt. Im Raum war es mucksmäuschenstill geworden. Haderlein durchbohrte Scheidmantels Freundin mit seinen Blicken, doch die machte keine Anstalten, ihrem Freund ein Alibi zu verschaffen, sondern begann stattdessen heftig zu weinen.
»Ist schon gut, Doris«, tröstete sie Scheidmantel und legte seinen mächtigen Arm um ihre schmalen Schultern.
Helmreich schaute seinen Freund entgeistert an. »Joe, jetzt sag doch was«, bat er ihn verzweifelt.
Haderlein dagegen verfolgte lieber eine andere Strategie. »Das heißt also, Herr Scheidmantel, Sie haben kein Alibi, und Sie haben ein Motiv. Sehe ich das richtig?«
»Aber ich war daheim, verdammt«, flüsterte er panisch.
Haderlein wurde zornig. Mit beiden Händen stützte er sich auf die Tischplatte, an der er sich eben noch so gut unterhalten hatte. Seine grauen Augen funkelten Scheidmantel an. »Ich sag Ihnen mal was: Gestern Abend wurden alle Boote hier weggeschwemmt, alle sind außer sich und diskutieren die ganze Nacht hindurch, weil heute hier die größte Paddlerdemonstration aller Zeiten stattgefunden hätte. Und da wollen Sie mir erzählen, Sie hätten sich daheim aufs Bett gelegt und nichts gemacht? Sie wollen mir erzählen, das hätte Sie überhaupt nicht interessiert? Ausgerechnet Sie, der wegen ein paar direkter Worte gleich eine Schlägerei mit einem Angler anfängt? Für wie blöd halten Sie mich eigentlich, Scheidmantel!«, fauchte er, holte tief Luft, blickte die beiden Polizisten an und nickte ihnen zu. Dann straffte er seinen Rücken und verkündete dem Riesen, der mit leerem Blick vor ihm stand: »Herr Scheidmantel, Sie werden wohl mitkommen müssen. Ich nehme Sie wegen Verdacht auf Mord an Edwin Rast vorläufig fest.« Dann wandte er sich Fritz Helmreich zu. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass Sie Ihrem Freund einen guten Anwalt suchen.«
Die Polizisten legten Scheidmantel flugs Handschellen an. Willenlos ließ er alles mit sich geschehen, während Doris Peter neben Helmreich ohnmächtig zusammenbrach.
*
Ein Handy klingelte laut und vernehmlich. Die Melodie kam eindeutig aus der Hosentasche von Graetzke. Ohne noch länger auf Lagerfelds Waffe zu achten, griff der Angler nach seinem Telefon und blökte in das Mikrofon, als wollte er eine ganze Kompanie beschallen. »Was, wer ist dran? … Ach, du. Woher weißt du denn, dass ich beim Angeln bin?«
Das Gekläffe des Hundes hatte sich mittlerweile ins Infernalische gesteigert. Lagerfeld war fassungslos: Mitsamt seiner Waffe wurde er einfach ignoriert! Graetzke schien die Situation nicht im Mindesten Unbehagen zu bereiten. Im Gegenteil, jetzt schlenderte er auch noch telefonierend auf Lagerfeld zu,
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